Skandal! Meine Kinder müssen sich ein Zimmer teilen!
Meine Kinder – neun und sieben Jahre alt – müssen sich ein Zimmer teilen! Ja, wirklich wahr! Und noch dazu sind sie unterschiedlichen Geschlechts! Skandal! Ich formuliere das aus dem Grund so überspitzt, weil mir solche und ähnliche Reaktionen wirklich auf den Zeiger gehen. Bei manchen klingt das nämlich fast schon so, als wäre es schon nahe an einer Kindeswohlgefährdung, wenn man seinen Kindern ein gemeinsames Zimmer zumutet.
Eigenes Zimmer als Luxusgut?
Dabei war ein zusammen bewohntes Kinderzimmer noch vor ein bis zwei Generationen gang und gäbe und bestimmt kein Kuriosum. Wirft man einen Blick über den Tellerrand, hin zur Gesamtweltbevölkerung, wird man feststellen, dass es in weiten Teilen der Erde so etwas wie ein Kinderzimmer gar nicht gibt. Und bei uns erntet man seltsame Kommentare, wenn sich zwei Kinder ein Zimmer teilen. Tja, First Word Problems, wie man so schön sagt!
Ich selbst habe gleich mit mehreren Geschwistern ein Zimmer geteilt. Mehr Platz war eben nicht da! Hinterfragt habe ich das nie und geschadet hat’s mir ebenfalls nicht. Blöde Kommentare gab es damals aber nicht. Wieso auch? Dass sich Geschwister in meiner Generation ein Zimmer teilen mussten, war Standard. Anders natürlich bei der heutigen Generation Einzelkind.
Materialismus auf der Überholspur
Ich habe das Gefühl, dass das, was sich die Mittelschicht heute ganz selbstverständlich leisten können „muss“, durchaus diskussionswürdige Ausmaße annimmt. Ein großes Haus oder eine große Wohnung mit eigenem Zimmer für jedes Familienmitglied, mindestens ein Auto, teure Klamotten, die neuesten technischen Trends sowie mehrere Urlaube im Jahr sind Standard. Wer sich das nicht leisten kann oder will, wird neugierig beäugt. Dass sich viele diesen Lebensstil ohnehin nur gönnen können, weil sie über ihre Verhältnisse leben, nimmt man stillschweigend hin. Und zwischendurch kommt eben dann und wann die verwunderte Frage: „Waaas? Die Kinder müssen sich ein Zimmer teilen?“ Ja, müssen sie! Und was ist da jetzt so schlimm dran?
Die Zimmeraufteilung hat sich so ergeben
Die Zimmeraufteilung haben wir nicht wirklich geplant, sie hat sich ergeben. Wir haben vier Wohnräume – Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer und Arbeitszimmer. Viele Jahre lang diente das Kinderzimmer lediglich als Zierde. Der Nachwuchs hat sich im großen Wohnzimmer ausgebreitet, weil er nahe bei Mama und Papa sein wollte, nachts wurde Familienbett praktiziert. Gute vier Jahre war das Kinderzimmer mehr oder weniger vergeudeter Raum. Mittlerweile wird es durchaus gerne genutzt. Das Spielzeug ist dort hineingewandert, zum Hörspiel hören, basteln und lesen taugt es auch. Kein einziges Mal wurde bisher nach einem eigenen Reich begehrt (unsere Kinder verstehen sich aber auch sehr gut). Spielzeug wird in der Regel geteilt, Streit um „dein“ und „mein“ gibt es eher selten. Also besteht momentan einfach überhaupt keine Veranlassung, die Zimmeraufteilung anders zu lösen. Das ist auch gut so, denn gerade als Selbständige können wir auf ein Arbeitszimmer schwer verzichten.
Im Ernstfall investieren wir in eine Zwischenwand
Sollten in Zukunft tatsächlich eigene Zimmer begehrt werden (spätestens mit der Pubertät wird das vermutlich auch passieren), gäbe es die Möglichkeit, im Kinderzimmer eine Zwischenwand einzuziehen. Zwar würden dabei zwei Mini-Zimmer herauskommen, aber zumindest *eigene* Mini-Zimmer. Und spätestens dann ist das leidliche: „Waaas? Sie müssen sich ein Zimmer teilen?“ dann wohl Geschichte!