Wir nehmen, was wir kriegen können
Mein Neunjähriger spielt seit sechs Monaten Klavier. Stimmt, das ist wahrlich noch nicht lange. Oder – wie der Sohnemann sagt – „doch schon eine Weile.“ Sein Glas ist offenbar halb voll (im Gegensatz zu dem seiner Mutter, sie sollte wohl häufiger auffüllen, haha). „Nur“ eine halbe Stunde wöchentlich dauert sein Unterricht in der örtlichen Musikschule. Etwas anderes war nicht „frei“, zu viele Kinder möchten zurzeit ein Instrument erlernen. Wir nahmen aber, was wir bekamen – und P. ist zufrieden.
Auf meinem Mist gewachsen
P. übt nicht regelmäßig, manchmal sogar tagelang gar nicht, dann wieder stundenlang „wahllos“, improvisiert quasi. Wie er von ganz allein auf die Idee gekommen ist, das Klavierspiel zu erlernen? Ich glaube, das ist auf meinem Mist gewachsen. Mama hatte da wohl „Vorbildwirkung“ … Und irgendwie bin ich echt froh darüber (und hoffe insgeheim, er lebt seinem um drei Jahre jüngeren Bruder K. damit etwas „Schönes“ vor, das dieser dann auch dringend machen möchte.)
„Ich will das auch lernen!“
Ich muss etwas weiter ausholen … bei mir war das so: Ich war auch so etwa acht oder neun Jahre alt, im Alter meines „großen“ Sohnes, als meine um vier Jahre ältere Schwester (ha, da: die Inspiration!) auf die Idee kam, Klavierunterricht zu nehmen.
Unsere Eltern waren damit einverstanden, und ich begleitete A. oft und bewunderte sie (natürlich eher heimlich), fasste den Entschluss: Ich möchte es auch lernen! Doch hielt meine Teenager-Sister leider nur etwa ein Jahr lang durch. Das war ein Problem – und zwar für mich.
„Ich mach‘ länger – versprochen!“
Ahnt ihr es? Ich durfte nicht in den Unterricht. „Du wirst auch nicht lange spielen“, so die Begründung meiner Oldies. Das fand ich so richtig doof und ungerecht noch dazu! Und schwor meinen Eltern – und vor allem mir: „Ich mache länger – wirklich. Versprochen!“ Ich wollte es so unbedingt – und hielt etwa acht Jahre lang durch. Immerhin. Und dann? Kam eben erst einmal das Erwachsenwerden (welches Erwachsenwerden … ?) dazwischen.
Klavier – just for fun!
Seit meinem Twen-Alter kam ich leider immer seltener dazu, Musik zu machen. Es fehlte an Zeit – und zugegeben: auch an Lust. Ich hatte mein Romanistik-Studium, Fremdsprachen und andere Dinge im Kopf (vor allem andere Dinge). Ich zog nach Berlin, lernte und lebte und liebte und … übte nur dann und wann „just for fun“ auf meinem Keyboard, das ich von zu Hause mitgenommen hatte. Schrieb ein paar Songs. Mein „Kla4“ musste zunächst im Elternhaus verbleiben. Ich vermisste es aber oft sehr.
„Jingle Bells“ im Frühling
Heute steht mein schwarzpoliertes „Rönisch“ wieder bei mir, in einem Haus. Viele Jahre „klimperte“ ich mit den Kiddies wenigstens Kinderlied-Akkorde, und wir drei sangen dazu. Ich schenkte mein Klavier neulich P. (warum habe ich das getan??), darf aber darauf spielen, wenn ich will … (haha). Es ist mir eine wahre Freude, zu erleben, wie mein Sohn im Frühjahr „Jingle Bells“ spielt.
„Ich spiel‘ Mozart – und Du?“
Dass P. nicht oft und unregelmäßig übt, ist für mich total okay: Es soll ihm ja Freude bereiten und nicht noch zusätzlich (zu Schule und dem ganzen damit verbundenen Kram) Stress verursachen. Da fällt mir ein Gag von ihm ein, den er kürzlich brachte. Er: „Lass uns vierhändig spielen, Mama!“ Ich (total begeistert!): „Ja, super, gute Idee!“ Er (völlig abgeklärt): „Ich spiele Mozart – und Du?“ Ha! Wow … wie schlau! Ob das jetzt vom Klavierspielen kommt?
Schlauer? Egal! Hauptsache, es macht Spaß!
Okay, vielleicht macht Musizieren tatsächlich „schlau“ (im Internet jedenfalls gibt es einen Haufen Studien darüber, lest euch gern mal rein, Stichworte: „Bastian-Studie“, „Mozart-Effekt“ und so weiter) – oder auch nicht (es gibt Studien, die das inzwischen sogar widerlegen!). Womöglich macht Klavierspielen „witziger“, weil es anscheinend das Hirn stimuliert. Das Grinsen in P.s Gesicht werde ich jedenfalls so schnell nicht vergessen.