In meiner Umgebung kenne ich sehr viele Eltern, die ihr Kind noch zur Schule fahren, wenn es 14 ist, die vergessene Brotdose oder den Turnbeutel mit dem Auto in der Schule vorbeibringen und ihre Kinder kaum einen Schritt allein gehen lassen. Bei diesen stoße ich auf Unverständnis, teilweise sogar blankes Entsetzen, wenn sie erfahren, wie früh ich meinen Sohn schon „von der Kette“ gelassen habe – ohne Angst.
Ich war das erste Mal allein einkaufen als er 4 Jahre alt war
Das geht natürlich nicht mit allen Kindern. Kinder mit überdurchschnittlichem Forschungsdrang und skurrilen Ideen sind vielleicht für so ein Projekt noch nicht geeignet. Ich kannte aber mein Kind schon als sehr verständig, deshalb konnte ich dieses Experiment wagen. Wie man in ein Telefon spricht, wusste er bereits, deshalb waren wir die ganze Zeit über (ca. 15 Minuten) im Telefonat. Ich fragte ihn, was er gerade macht, erzählte ihm, was ich gerade kaufe und es war kein Problem. Ohne Handy hätte ich das aber ganz sicher nicht gemacht.
Mit 6 war er mit seinem Freund allein unterwegs
Ich weiß noch ziemlich genau, wann ich meinen Sohn das erste Mal allein mit seinem Freund rausgehen ließ. Das war am Tag seiner Einschulung. Nachdem die Feier zu Ende war, durfte er am Nachmittag mit seinem Freund eine Stunde draußen allein durch die Gegend ziehen. Natürlich nur in der Umgebung und ein Handy hatten sie auch dabei. Das funktionierte sehr gut und wurde mit der Zeit immer selbstverständlicher. Inzwischen kennt er die Straßen, Spätibesitzer und Bäckereifachverkäufer besser als ich.
Mit 8 fuhr er allein mit der Straßenbahn zu seinem Freund
Die Freunde meines Sohnes wohnen nicht weit von uns entfernt, trotzdem sind das hier in Berlin aber Entfernungen, die man nicht unbedingt zu Fuß laufen will. Ich habe aber kein Auto, um ihn bequem irgendwo abzuliefern. Vielleicht ist auch das der Grund dafür, dass er sich schon so früh mit öffentlichen Verkehrsmitteln auskannte – er kennt es ja nicht anders und weiß über den Berliner Liniennetzplan besser Bescheid als ich.
Manche Dinge sind mir aber auch mit einem fast 13-Jährigen nicht geheuer – zum Beispiel bestimmte Strecken mit der U-Bahn inklusive Umsteigens, vor allem nachts. Da fahre ich dann doch lieber mit.
So manchen schrägen Spruch und „Du Rabenmutter!“-Blicke durfte ich aber schon über mich ergehen lassen. Je älter die Kinder werden, desto mehr wechseln diese unterschwelligen Vorwürfe aber zu Neid – denn ich suche abends nicht drei Stunden lang einen Parkplatz, weil ich mein fast 13-jähriges Kind bei seinem Freund abholen musste.