Meine Tochter muss sich nicht entschuldigen, wenn sie das nicht will

Geschwister streiten sich
"Sag deiner Schwester, dass es dir leid tut!" - Unsere Autorin findet: So ein Satz ist völlig überflüssig.
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Ist es unsere Aufgabe von den Kindern eine Entschuldigung zu fordern, wenn wir als Eltern denken, dass ein „Es tut mir leid!“ angebracht wäre? Unsere Autorin Jenn Knott sagt: Nein, meine Töchter müssen sich nicht entschuldigen, wenn sie nicht wollen. Hier erklärt sie, warum.

Wann sollte ich mich einmischen – und wann nicht?

Vor vier Jahren in meiner ersten Baby-Gruppe gab es eine große Diskussion über eine Mutter-Kolumne, die mir nie aus dem Kopf gegangen ist. Die Standardeinstellung vieler Eltern ist: Wenn dein Kind einem anderen weh tut oder sonst verletzt, egal was passiert ist, sollten Eltern eine Entschuldigung von ihm verlangen, wenn es das nicht automatisch tut. Das Argument der Kolumne war aber, dass genau das falsch ist: Eltern sollten sich nicht einmischen, damit die Kinder den Konflikt selber lösen können. Seitdem denke ich darüber nach: Sollte man eine Entschuldigung erzwingen oder nicht?

Die Überlegung dahinter: Durch eine erzwungene Entschuldigung geht eine Schuld nicht einfach weg und noch dazu ist eine Aussage, die nicht vom Herzen kommt, vollkommen wertlos. Das stimme dieser Meinung zu, frage mich aber, wie stark ich mich in solche Situationen einmischen sollte. Ich lasse die Kinder sowieso gerne alleine spielen und finde es total wichtig, dass sie sich selber beschäftigen können. Da gibt es auch öfters mal Streit. Wer „Elsa“ und wer „Anna“ ist interessiert mich herzlich wenig, wenn es aber lautes Geschrei oder Gewalt gibt, ziehe ich die Grenze.

Ich versuche Streitigkeiten anders zu lösen

Idealerweise läuft es so: Erst frage ich nach dem objektiven Verlauf des Geschehens. Wenn das „Was“ schon klar ist, kommt das „Warum?“. Dann versuche ich meinen beiden Mädchen zu erklären, wie sich ihr Verhalten auf die jeweils andere ausgewirkt hat: „Du hast ihr weh getan“ oder „Sie ist wütend, weil du ihr das Buch weggenommen hast.“ Gerade wenn es auch körperliche Verletzungen gibt, frage ich schon auch mal, ob es der „Täterin“ leid tut: „Würdest du deiner Schwester gerne etwas sagen?“

Ihr tut es oft nicht leid – mir aber schon

Manchmal lautet die Antwort aber ganz einfach „Nein“ – und das akzeptiere ich auch genau so.Ich als Mutter kann aber ausdrücken, dass es mir Leid tut, dass zum Beispiel die Große gehauen wurde und nun Schmerzen hat, vor allem wenn die Kleine keine Reue zeigt. Das ist die Wahrheit und ehrlich – im Gegensatz zu einer erzwungenen Entschuldigung.

Ich denke, man muss auch nicht immer nett sein. Besonders in einer Verteidigungssituation ist es erforderlich, dass wir uns eben nicht immer „nett“ verhalten. Kinder dürfen böse und traurig und verletzt sein. Das erlaube ich mir selber auch und damit selbstverständlich auch meinen Kindern.

Der Schlüssel ist die Ehrlichkeit

Ich glaube der Schlüssel zum Thema ‚Entschuldigungen’ ist die Ehrlichkeit. Wenn es einem Leid tut, sollte man das laut sagen. Wenn nicht, müssen wir vielleicht auch lernen, mit dem Schmerz der Reuelosigkeit umgehen zu können. Ich finde es einfach sinnlos, einem Kind eine Entschuldigung herauszuzerren. Da Kinder aber noch keine Erwachsene sind, können wir ihnen helfen, ihre Empathie zu entwickeln und die Gefühle in eine soziale Richtung zu steuern.

Hört auf euer Bauchgefühl

Auf jeden Fall finde ich, wir sollten mit unserem Verhalten nicht so streng sein. In manchen Situationen dürfen wir es die Kinder selber lösen lassen, manchmal brauchen sie unsere Hilfe, manchmal wissen wir selber nicht, was richtig ist. Man befürchtet immer als Elternteil, dass man entweder zu viel oder zu wenig macht – und damit bei den Kindern irreparable Schäden anrichtet. Vielleicht ist die ehrliche Art auch für uns Eltern auch die beste Art: immer das tun, was wir für richtig halten, auf unser Bauchgefühl hören – und nicht so viel nachdenken. Die Kinder machen es doch genau so.