Meine Tochter und ihr imaginärer Freund

Mädchen mit rosa Kleid
Hat dein Kin einen imaginären Freund?
©Unsplash/Alex Blăjan

Mit sehr fantasiebegabten Kindern – da kann einem so einiges passieren! Von bühnenreifen Rollenspielen bis hin zu haarsträubenden Erzählungen ist alles drin. Wenn aber wochenlang ein imaginärer Freund im Familienverband weilt, kann das mitunter für Verwirrung sorgen. Und ein bisschen gruselig ist es außerdem… Mama Daniela hatte so einen imaginären Mitbewohner – hier erzählt sie davon.

Fantastische Welten

Unsere Tochter war schon immer ein Ausbund an Fantasie. Kaum brachte sie die ersten geraden Sätze heraus, erfand sie die aufregendsten Geschichten, die sie buntschillernd ausschmückte. Prinzessinnen, Feen, Elfen oder Monster – in ihrer Welt waren sie alle real! Die Rollenspiele, die sie mit ihren Puppen und Stofftieren zum Besten gab, waren nahezu oskarreif.

Langweilig wurde es uns kaum mit ihr! Ständig wollte sie, dass wir zusammen Märchen lesen, Fantasiespiele spielen oder endlos lange Geschichten erfinden. Mir gefiel das! So ein Kind hatte ich mir immer gewünscht, denn mit Lego und Co. kann ich ehrlich gesagt recht wenig anfangen. Töchterchen und ich erfanden und fantasierten also fröhlich gemeinsam. So hätte es ruhig weitergehen können. Doch dann kam Felix…

Mein Freund Felix

Zuerst ging Felix eigentlich fast ein bisschen unter. Töchterchen war fast drei Jahre alt und vor kurzem in den Kindergarten gekommen. Nachdem sie Felix öfter erwähnte, bin ich automatisch davon ausgegangen, dass das ein Bub aus dem Kindergarten sei, den sie besonders gerne mochte. Irgendwann beim Abholen meinte ich scherzhaft zur Pädagogin: „Wo steckt denn dieser Felix? Wir hören ständig von ihm!“ Daraufhin meinte die verwundert: „Welcher Felix? In unserer Gruppe gibt es keinen Felix!“ Ich fiel aus allen Wolken…

Am Heimweg hakte ich nach: „Du, wo ist denn dein Felix?“ Erstaunt sah mir Töchterchen geradewegs ins Gesicht: „Na zuhause!“ Achsooo, dachte ich. Großes Missverständnis! Felix ist einfach nur ein Stofftier. Dass sie ihn so oft erwähnte, wunderte mich dann nicht. Zu ihren Stofftieren und Puppen hatte sie ein äußerst freundschaftliches Verhältnis. Die wurden gehegt, gepflegt und überallhin mitgeschleppt. Felix war also vermutlich ein Stoffbär oder Kuschelhase…

Felix? Der ist unsichtbar!

Später, wir saßen alle beim Abendessen, meinte Töchterchen an ihrem Brot kauend: „Felix hat auch Hunger! Aber er mag kein Brot!“

„Bring ihm später einfach eine Banane rauf“, meinte ich scherzhaft.

„Wieso später?“, fragte sie erstaunt. „Felix ist doch hier!“

„Wo denn?“ Langsam kam mir die Sache komisch vor.

„Na neben mir am Stuhl!“

Unnötig zu erwähnen, dass am Stuhl außer meinem Kind niemand saß. Kein Kuscheltier, keine Puppe.

„Den Felix,“ meinte da mein Sohn augenverdrehend, „den sieht nur sie!“

„Der ist mein Freund“, sagte Töchterchen, schnappte sich eine Banane, schälte sie und hielt sie in die Luft. Damit der unsichtbare Felix abbeißen konnte…

Felix war immer mit von der Partie

Ich hatte schon gehört und gelesen, dass sehr fantasiebegabte Kleinkinder imaginäre Freunde haben können. Aber wenn es dann passiert, ist es trotzdem irgendwie komisch. Und auch ein bisschen gruselig. Denn für Töchterchen war Felix ja real. Und so teile sie mit ihm ihre Süßigkeiten (sie musste ihn wirklich heiß lieben), nahm ihn zu fast allen Familienausflügen mit und plauderte, lachte und stritt mit ihm. Diese Selbstgespräche waren mir meistens ein bisschen unheimlich und muteten für Erwachsene wahrscheinlich auch ein bisschen seltsam an.

Über viele Wochen war Felix ein fixer Bestandteil unseres Familienlebens. Ich musste im Schwimmbad seine Haare trocknen (da haben die Leute dann vermutlich angenommen, ich sei verrückt!), ihm sein Lieblingsessen kochen, ihn zudecken oder ihm ein Glas Milch einschenken. Ich tat das alles – mal mehr, mal weniger enthusiastisch – und Töchterchen und ihr Felix waren ein Herz und eine Seele.

Felix? Der war mein Freund!

Irgendwann war Felix plötzlich kein Thema mehr. Ich fragte nach und erfuhr, dass Felix weitergezogen war. Zu einem anderen Kind.
„Bei mir war er eh schon lang!“, meinte Töchterchen schulterzuckend. Besonders traurig schien sie nicht zu sein, dass er weg war. Es war wohl Zeit…

Vor kurzem habe ich sie gefragt, ob sie sich noch an Felix erinnert. Ich bin davon ausgegangen, dass sie sagt: „Ach ja, stimmt, den habe ich mir ja damals ausgedacht!“

„Klar“, meinte sie, „der war doch mein Freund!“