Nicht streng, nur anstrengend: Ich erziehe mit moderner Autorität

Mama und Kind sitzen am Esstisch
Was das für mich bedeutet...
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Moderne Autorität? Was soll das den sein? Auch Mama Saskia hat sich mit dem Begriff lange schwergetan, dennoch beschreibt er ihren Erziehungsstil am besten. Und der ist nicht streng, nur anstrengend, wie Söhnchen 1 selbst sagt.

Autorität als Herausforderung

Autorität ist als Begriff gerade in Deutschland schwierig. In meiner Rolle als Mutter empfand und empfinde ich das Thema Grenzen setzen und Führung als eine Herausforderung. Wie viel Vorgaben geben Halt und lassen gleichzeitig genug Raum für die Entwicklung? Was ist zu streng? – Sohn 1 sagte bei einem ernsteren Gespräch mit einem Augenrollen zu mir: „Weißt du Mama, eigentlich bist du nicht streng, aber du kannst so anstrengend sein.“

Erwachsene in der Verantwortung

Moderne Autorität legt den Schwerpunkt auf die Beziehung. Sie bedeutet, dass Erwachsene die Verantwortung für die Beziehungsqualität haben und die Werte entsprechend vorleben. Außerdem kontrollieren sie ihre eigenen Emotionen und verfallen nicht in Straf-Muster. Eine sogenannte positive Fehlerkultur ist wichtig, was für mich bedeutet, dass wir als Eltern deutlich machen, dass uns auch Fehler unterlaufen, wir in unserem Verhalten nicht unantastbar sind und dass wir uns entschuldigen.

Unsere Gefühlswelten und unsere Erwartungen gehen manches Mal auseinander und wir beabsichtigen nichts Schlimmes damit, sondern sind vielleicht nur authentisch – wie unser Gegenüber. Manchmal liegen die emotionalen Realitäten weit auseinander. Um dann in Beziehung zu bleiben, geht es um Sprechen, Anerkennen von verschiedenen Positionen, Begreifen von Verhaltensmustern und manchmal um eine Entschuldigung. Für mich steht eine Entschuldigung immer an erster Stelle für das Anerkennen der Gefühlswelt des anderen.

Ehrlich miteinander sprechen

Was mein Sohn mit dem Anstrengend-Sein meinte, ist meine Erwartungshaltung und dass wir gerade in kritischen Situationen ehrlich über sie sprechen. Mir geht es dann nicht um eine geschönte Reaktion von ihm, wo er runterbetet, was ich seiner Meinung nach hören möchte. Stattdessen möchte ich wirklich verstehen, warum er sich in einer Situation in der Art und Weise verhalten hat. Umso älter er wird, desto leichter kann er das aussprechen und ist klarer mit sich und seinen Reaktionen. Früher war das oft schon ein langer Akt, weil er selbst gar nicht genau wusste, warum er so reagiert hatte. Da galt es ruhig zu bleiben, die langen Pausen auszuhalten und ihm keine Worte in den Mund zu legen. Was für einen ungeduldigen Menschen wie mich eine große Herausforderung ist.

: Wut hat immer einen Ursprung

Aber auch wenn ich eine sehr klare Haltung habe, möchte ich meine Kinder immer erst einmal verstehen. In einem zweiten Schritt schauen wir auf die unterschiedlichen Perspektiven und welcher Blick vielleicht gefehlt hat. Bei kritischen Gesprächen mit Kindern – aber nicht nur da – habe ich gelernt, wie wichtig Schweigen und Aushalten ist. Wenn unser Gegenüber keine Antwort für uns hat, muss er nicht zugetextet werden. Manchmal geht man an diesen Stellen auseinander und nimmt den Faden später wieder auf. Etwas, was mein Sohn bei mir ebenfalls anstrengend findet. Ich möchte eine Situation geklärt haben und auch wenn ich einen Rückzug erst einmal ok finde, komme ich dann später wieder darauf zurück und erwarte klare Antworten.

Vertrauen auf die eigenen Entscheidungen

Ich bin nicht die Freundin meiner Kinder. Mir geht es sehr bewusst um Wertevermittlung. Allerdings geht es mir nicht darum, ihnen einen Weg vorzuweisen und ihnen zu erklären, wie sie zu funktionieren und ihr Leben zu leben haben. Klare Ausnahme ist hier die Anwendung von Gewalt – für mich ein No-Go. Bei anderen Werten habe ich schlicht die Hoffnung, dass sie für meine Kinder langfristig in ihr Leben gehören. Die Entscheidung dafür oder dagegen ist ihre. Wenn sie später einen Job wegen der Sicherheit oder dem Geld machen wollen, ist das ihre Entscheidung. Bedeutet für sie später Glück minimale Verantwortung und Bindung – ihr Weg, wenn auch sicher für mich an einigen Stellen schwierig anzuschauen.

Ich glaube aufrichtig, dass ich ausschließlich meinen eigenen Erfahrungsschatz habe und mit Glück verstehe, was für mich gut und richtig ist. Bei meinen Kindern kann ich ihnen nur mit meinem anderen Blick zur Seite stehen, während sie zunehmend ihre eigenen Entscheidungen treffen. Und ihnen dabei das Vertrauen vermitteln, dass die Dinge gut werden. Manchmal vielleicht sehr anders als das, was sie sich vorstellen und planen, aber immer am Ende gut. Dass sie die Kraft haben, durch Krisen hindurchzugehen, und ich in diesen Zeiten ohne „Ich hab’s dir aber gesagt“-Haltung für sie da bin. Dass ich ihre Orientierungslosigkeit aushalte und sie nicht mit Ratschlägen zupflastere, wenn sie Ruhe für sich brauchen, sondern ihnen die Zeit und den Halt gebe, den sie brauchen, um sich zu orientieren.

Wie du die Frustrationstoleranz deines Kindes stärken kannst, erklären wir hier.

Verantwortung für die Handlungen übernehmen

Finde ich ein Verhalten meiner Kinder nicht in Ordnung, geht es mir nicht um Strafen, aber um die Übernahme von Verantwortung. Wenn du jemandem wehtust, gelten keine Ausflüchte. Dann übernimmst du die Verantwortung für deine Worte oder dein Handeln und entschuldigst dich. Und ja, ich stand bereits mit meinen Kindern vor anderen Haustüren, damit sie sich dort entschuldigen, weil sie sich in einer Situation nicht ok verhalten hatten. Das nehme ich ihnen nicht ab, aber ich bin dabei und ich erkenne im Anschluss die Überwindung an, die sie dieser Schritt gekostet hat.

Es ist auch nicht die Entscheidung des Gegenübers in dem Moment, ob der Schmerz angemessen ist. Bei uns in der Familie sind die Kinder sehr unterschiedlich empfindsam und der, der sich verletzt fühlt, wird hierfür definitiv nie beschämt oder ihm seine Gefühle abgesprochen. Das gilt für alle Gefühle. Vielleicht hinterfrage ich sie, weil ich manchmal glaube, dass die Trauer oder die Wut nicht nur aus einer Situation stammen, sondern ihren Ursprung ganz woanders haben, aber sie dürfen sein wie sind.

Verschiedene Empfindsamkeiten und Bedürfnisse auszuhalten und zu berücksichtigen, finde ich manches Mal auch anstrengend und kompliziert und da bin ich weit entfernt vom Perfekt-sein. Aber da wir am Ende alle in unseren Bedürfnissen und Gefühlen gesehen werden wollen, führt daran kein Weg vorbei, es bei den anderen auch so zu handhaben. Ehrlichkeit und Humor helfen, wenn es mal nicht so klappt.