Betreuungsarbeit ist mehr wert als Apple, Google und Facebook zusammen
Im Vorfeld zum Weltwirtschaftsforums, das in dieser Woche in Davos stattfindet, hat Oxfam die wachsende finanzielle Ungleichheit auf der Welt kritisiert. Während Reiche immer reicher werden, gehören vor allem Frauen zu den Verlierern.
Pro Tag arbeiten Frauen und Mädchen weltweit über 12 Milliarden Stunden umsonst. Würden sie für die Arbeit, die sie zu Hause leisten – also etwa waschen, putzen, einkaufen, Kinder erziehen und Kranke versorgen – auch nur nach Mindestlohn bezahlt werden, würden sie pro Jahr weitaus mehr Umsatz machen als die Tech-Riesen Apple, Google und Facebook zusammen: 24 Mal mehr um genau zu sein! Das rechnet Oxfam in der Studie „Time to Care” vor, welche die Organisation im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums veröffentlicht hat.
Auch in Deutschland ist die Gender Pay Gap zu groß
Diese Ungleichheit ist aber keinesfalls ein Problem ärmerer Länder. Auch in Deutschland ist der Unterscheid zwischen Arm und Reich zu groß. Ebenso erschreckend, dass auch der Gender Pay Gap, also der durchschnittliche Einkommensunterschied von Männern und Frauen auf einem viel zu hohen Niveau von 21 Prozent liegt. „Mit Blick auf Geschlechtergerechtigkeit schneidet Deutschland sehr schlecht ab (…) und auch hier ist die Ursache, dass Frauen deutlich mehr unbezahlte Care-Arbeit leisten als Männer“, erklärt Ellen Ehmke von Oxfam Deutschland gegenüber tagesschau.de. Die Situation verschärft sich, sobald Frauen Kinder bekommen. Mütter übernehmen dann bis zu 83 Prozent mehr unbezahlte Pflege- und Fürsorgearbeit als Männer. Das lässt auch die Gender Pay Gap wachsen. Nach den Kindern verdienen Frauen im Schnitt rund 61 Prozent weniger Männer, die Väter sind – bei gleichem Ausgangsgehalt. Das liegt auch daran, dass die meisten Frauen nach der Babypause nach wie vor nur in Teilzeit zurück kommen.
Als besonders kritisch bewertet Oxfam, dass die Unterschiede bei Geringverdienern besonders groß ausfallen. Frauen mit den niedrigsten Einkommen verdienen bis zu 69 Prozent weniger im Vergleich zu Männern auf ähnlichen Positionen, Spitzenverdienerinnen müssen mit bis zu 34 Prozent weniger rechnen. „Frauen mit hohen Einkommen können Pflege und Fürsorge eher hinzukaufen, um etwa nach der Geburt eines Kindes selbst früher wieder in die Erwerbsarbeit einzusteigen“, schreibt Oxfam in ihrem Ungleichheitsbericht „Im Schatten der Profite“.
Die Entwicklungshilfeorganisation fordert daher massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur in Deutschland, die Frauen und Mädchen von unbezahlter Pflege- und Fürsorgearbeit entlastet. Dazu gehören ganz klar auch Kitas.
Betreuungssituation muss verbessert werden
Ein erster Schritt in die richtige Richtung: Über den Finanzausgleich für das Gute-KiTa-Gesetz sollen insgesamt 5,5 Milliarden Euro für mehr Qualität in den Kitas sorgen und die Eltern bei den Gebühren entlasten. Nach Schätzungen der Bertelsmann Stiftung müsste der Bund für eine generelle Beitragsfreiheit jährlich aber mindestens rund 7,3 Milliarden Euro aufbringen. Weitere Verbesserungen, etwa ein niedrigerer Betreuungs-Schlüssel oder ein systematischer Kita-Ausbau, sind hier nicht mit dazugerechnet.
Kita-Beiträge belasten vor allem ärmere Haushalte
Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) fehlten 2019 insgesamt 320.000 Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren. Das bedeutet, selbst ein Rechtsanspruch auf einen Platz garantiert keine Betreuung. Alternativen sind dann teurere private Kitas oder Tagesmütter.
Leisten kann sich das nicht jede Familie. Unter den derzeitigen Betreuungs-Gebühren würden also vor allem ärmere Haushalte leiden, so die Bertelsmann Stiftung. Lässt sich eine Fremdbetreuung nicht finanzieren, bleibt es alternativlos, dass sich ein Elternteil selbst um die Kinder kümmert.
Ein Ungleichheitsproblem gibt es definitiv auch in Deutschland. Ausbaden müssen das in der Regel die Mütter.