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Plötzlich unverträglich – Wenn nicht nur der Bauch grummelt

Kind schaut in die Kamera - daneben stehen Cornflakes
Müssen Menschen immer Bauchweh haben?
© Pexels/ Tiago Pereira

Welchen Einfluss hat unsere Ernährung wirklich auf uns? Wenn Kinder kommen, beschäftigt man sich ja bereits in der Schwangerschaft auf einer ganz anderen Ebene mit dem Thema Essen. Dann kommen die guten Esser und die pingeligen Esser und dann … die Unverträglichkeiten.

Symptom im Supermarkt

Im Supermarkt begegnen uns seit einigen Jahren die verschiedenen Unverträglichkeiten. Es wimmelt in den Regalen vor lauter lactose- und glutenfreien Produkten. Wobei die Auszeichnungen an einigen Stellen schlicht absurd sind: Wie kommt bitte Gluten in Wasser? In der Theorie fand ich es gut, dass es Produkte für Menschen mit Unverträglichkeiten gibt. In der Praxis fand ich es manches Mal ermüdend, wenn mir Bekannte von aufregenden Selbsttests und Eigendiagnosen erzählten. Bis es uns plötzlich betraf.

Müssen Menschen immer Bauchweh haben?

Unser zweiter Sohn war stets ein wenig schneller wütend. Oft habe ich mich gefragt, warum sein Ärger-Level so hoch liegt. Dann fragte er vor einem halben Jahr: „Mama, warum müssen Menschen eigentlich immer Bauchweh haben?“ Nach Rücksprache mit der Ärztin haben wir vier Wochen ein Bauchweh-Tagebuch geführt mit Vermerken, was wann gegessen wurde. Ein fünfjähriges Kind ist allerdings nicht der zuverlässigste Informant und so brachte das keine wegweisende Hinweise. Da unser Sohn empfindsam ist, betonte die Ärztin, dass durch Stress ausgelöstes Bauchweh reelle Schmerzen verursachen könne. Tatsächlich seien 98 Prozent der vorgestellten Bauchschmerzen funktionelles Bauchweh – sprich, ohne klare Diagnose.

Erstmals testen

Trotz dieser Einwände entschied ich, dass wir im Urlaub meines Mannes unseren Sohn testen lassen. Im Urlaub meines Mannes, da ich dann nicht einen Vormittag in der Arztpraxis mit zwei bis vier Kindern, sondern nur mit dem betroffenen Kind verbringen würde. Der erste Test war Lactose. Meinen pingeligen Sohn davon zu überzeugen, dieses riesige Glas mit dem milchigen Wasser („Und dann schwimmen da noch so Stückchen!“) zu trinken, war ein weiterer Lehrgang in Verhandlungsführung für Fortgeschrittene. Dann durfte er dreieinhalb Stunden regelmäßig in ein Röhrchen pusten. Schließlich sind wir ohne Befund nach Hause gegangen.

Testen, die Zweite

Mit dem Vorwissen, was er dort trinken muss, wurde der nächste Gang zum Arzt nicht einfacher. Eigentlich hätte er gar nicht mehr so schlimm Bauchweh. Und wenn nur ein bisschen. Dann saßen wir wieder in dem kleinen Zimmer mit einer großen Tasse vor uns. Dieses Mal mit fructosehaltigem Wasser, dass selbst unserem Sohn zu süß war. Ich las weiter in unserem Buch und während Nils Holgersson zurück zu den Gänsen kam, schaffte mein Sohn den letzten Schluck. Wir durften mit unserem Wecker ins Wartezimmer und weiterlesen. Bald saß mein Sohn gekrümmt neben mir, weil er so schlimm Bauchweh hatte. Nach dem ersten Pusten wurde die bis dahin etwas gelangweilte Arzthelferin nervös: „Oh, positiv, die sind eigentlich nie positiv. Moment bitte.“ Und weg war sie.

Zwei Zettel und vier Probewochen

Zurück kam sie mit zwei Zetteln mit den wichtigsten Informationen über Fructoseintoleranz. Wir sollten vier Wochen jeglichen Zucker (besteht zu 50 Prozent aus Fructose) und Obst meiden. Außerdem waren wenige Basisinformationen enthalten. Nachdem mein Sohn erst tapfer war: „Ach, Pfannkuchen mit Apfelmus mochte ich nie so gerne. Ich esse dann Pfannkuchen mit Schokocreme.“, dämmerte ihm langsam, dass auch Schokocreme aus unserem Haushalt verschwinden würde. Nachdem er den Tag zum Großteil auf der Toilette verbrachte, starteten wir mit unseren Probewochen. Und stellten Erstaunliches fest: Die Wutanfälle wurden weniger und die Laune grundlegend besser. In den meisten Situationen regulierte sich unser Sohn alleine.

Gar kein Obst?

Von einem Kind, das jeden Tag einen Apfel, eine Banane und je nach Saison viele Weintrauben oder Wassermelone gegessen hatte, wurde unser Sohn zu einem Kind, das nur noch Gurke aß. Und manchmal Möhren oder mal eine Paprika. Also, wie bekommt man genug Vitamine in dieses Kerlchen, das sowieso nah am Untergewicht ist? Wir greifen tatsächlich auf Vitamintabletten zurück. Nicht, weil ich denke, dass das die beste Lösung ist. Aber, weil ich mir sonst zu viele Sorgen mache und wir eine kurzfristige Lösung brauchen. Auch bei Vitamintabletten darf unser Kind nicht alle nehmen, weil viele Zucker als Trägerstoff enthalten.

Viele Ansichten

Überhaupt gibt es viele Meinungen zu wahrscheinlich jeder Unverträglichkeit. Bei Fructose sagen manche zum Beispiel, dass man überhaupt keine Fructose und damit auch keinerlei Zucker zu sich nehmen soll. Außerdem sei es wichtig Sorbit überprüfen zu lassen und die Leberwerte, weil sich Fructose dort absetzt. Ein Buch von einer Heilpraktikerin versetzte mich in völlige Unruhe, während ein Buch von einer Betroffenen mich etwas entspannte. Tatsache ist es aber so, dass ich bei unserem Sohn eindeutig einen Zusammenhang zwischen der Ernährung und seinem Befinden feststelle. Wir werden individuell schauen müssen, was er verträgt.

Der Wert von Extra-Produkten

Jetzt ärgere ich mich, dass es die Produkte für Fructoseintoleranz nicht so einfach im Supermarkt bei uns gibt. Stattdessen muss ich die Sachen beim Hersteller bestellen. Und ja, ich weiß, es hängt nicht alles an einem Lolli oder einer Schokolade, aber mein Kind hat sich fast wie an Weihnachten gefreut, als es Süßigkeiten und eine Schokocreme mit Malz bekam. Ja, vielleicht ist es übertriebener Luxus und Kinder brauchen Süßigkeiten nicht. Aber für die Seele ist es schön, wenn man nicht als einziger nichts bekommt, wenn jemand in der Klasse etwas mitbringt. Oder ich Zimtschnecken mit einer anderen Süße backen kann. Es ist dann ein bisschen anders, aber noch nah genug am Normalen. Und nie wieder Kuchen ist doch auch keine Lösung, oder?

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