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Rollenwechsel: Von der Alleinunterhalterin zum ungebetenen Gast

Symbolbild: Mama sitzt alleine auf dem Sofa
Hilfe, es sind pubertierende Freunde zu Besuch!
© Pexels / Polina Tankilevitch

Für Saskia war der Wandel nicht leicht: War sie doch in einem Moment noch für die Bespaßung der kleinen Gäste zuständig, verstummt jetzt auf einmal der ganze Raum, wenn Mama das Kinderzimmer betritt.

Meine Vorfreude auf „große“ Kinder

Es gibt diesen Moment im Leben der eigenen Kinder, in dem Eltern peinlich werden. Das war mir klar und ich fühlte mich gewappnet. Nur um dann jedoch einen weiteren Moment kennenzulernen: Den Moment, in dem die Freunde deiner Kinder keinen Pieps mehr reden, wenn du im Raum bist.

Es gab Verabredungen meiner Kinder, die waren eher meine Verabredungen (und nein, das empfehle ich keineswegs). Plötzlich saß ich am Tisch und spielte Obstgarten oder Memory. Manchmal bastelte ich auch oder malte. Das waren die Nachmittage, nach denen ich mich auf das Älterwerden meiner Kinder sehr freute. Und bei mir dachte: Yeah, das wird prima. Dann sind es ihre Freunde und ich muss nicht mehr beim Kaffeetrinken erklären, was ich eigentlich beruflich mache und warum ich vier Kinder habe. Oder eben mit anderen Kindern spielen, basteln oder etwas vorlesen. Was ich alles gerne mache, aber manchmal eben auch nicht und am liebsten nicht, weil die Stimmung so schlecht ist, dass nichts anderes mehr geht.

Kinder plaudern alles aus

Die Verabredungen hatten auch oft genug sehr niedliche Momente und manchmal sogar entlarvende Dialoge. Kinder verraten alles – und ich meine wirklich alles. Plötzlich hatte ich Einblicke in das Familienleben anderer Familien, die hatte ich nicht erwartet. Von Streitigkeiten der Eltern, Schwierigkeiten mit den Geschwistern, wichtigen Sparplänen der Kinder bis zum Waschverhalten war hier vieles an Aufschlussreichem vorhanden. Manches Mal kam auch die ehrliche Wiedergabe von Aussagen wie beispielsweise: „Papa sagt, vier Kinder müssen die Hölle sein. Findest du das auch?“ – Jeder Geheimdienst wäre stolz, wenn sie derlei intime Informationen in dieser Geschwindigkeit bekommen würden – noch dazu auf legalem Weg.

Dass Kinder hierbei unter anderem ihre manchmal minimal abweichende Wahrnehmung lautstark äußern, erlebte ich auch bei mir. Eine Mutter fragte mich so mit ziemlichem Erstaunen, ob ich wirklich Anfang 50 wäre. (Mein Sohn hatte die 35 gerne andersrum genannt. Aber dass die Mutter es überhaupt für möglich hielt, gab mir schon zu denken.) Und ich finde es auch schön, die Kinder im Stadtteil zu sehen, die vielleicht früher in der Krippe oder im Kindergarten mit meinen Kindern waren. Wenn das ehemals sehr vorsichtige Kind aus der Sandkiste mit einem Mal coole Skateboard-Videos vor der Haustür filmt, ist das irgendwie witzig und rührend zugleich.

Der Schreck vorm Schreck – die Vorpubertät

Im letzten Sommer ist Sohn 1 in die fünfte Klasse gekommen und es besuchen uns andere Kinder. Nur sind sie ihrem eigenen Empfinden nach keine Kinder mehr, sondern schon sehr erfahrene Heranwachsende. Oder wie mein Sohn es seit fast zwei Jahren betont: „Im Grunde bin ich schon voll in der Vorpubertät.“ (Wackelzahnpubertät ok, aber dass es auch noch eine Vorpubertät geben muss… Ich dachte, die Pubertät für sich genommen reicht schon.) War meine freundliche Präsenz vorher notwendig, damit sich die Kinder hier wohlfühlten, muss ich mich jetzt im Grunde auflösen. Dieser Rollenwechsel macht mir noch etwas zu schaffen.

So hatten wir einen sehr sympathischen, etwas frechen Jungen aus seiner Klasse zu Besuch und sie hatten dann Hunger. Ich habe ihnen etwas hingestellt und bin mit unserem Hund in den Garten verschwunden. Als ich zurückkam, hörte ich im Flur bereits das laute und offensichtlich unglaublich witzige Gespräch zwischen den Beiden. Und sobald ich den Raum betrat, verstummte das Gespräch (und jedes Lachen). So freundlich ich lächelte, so schnell waren die Beiden aus dem Essbereich verschwunden und verließen kurz darauf auch das „volle Haus“.

Ich freunde mich mit dem Gedanken an, dass ich in Zukunft deutlich weniger von den Freunden im direkten Kontakt mitbekommen werde. Vielleicht brauche ich nun doch eine Fortbildung in geschickten Verhörtechniken. Auch später – in der richtigen Pubertät – könnte das die Elternschaft erleichtern. (Wobei meine Mutter am meisten aus mir herausbekommen hat, indem sie eisern geschwiegen und mich undurchdringlich angeschaut hat.)

Coole Showeinlage mit Hund

Da wir sehr nah an der Schule wohnen, kommt es auch so manches Mal zu Begegnungen. So kam ich an einem Vormittag mit dem Hund von der großen Runde zurück und Sohn 1 musste gerade mit einer Gruppe zwischen den Gebäuden wechseln. Mit großer Geste kam er auf mich zu – dachte ich zunächst und wunderte mich etwas. Auf halber Strecke erkannte ich, dass es um die Begrüßung unseres Hundes als Showeinlage ging.

Für einen kleinen Moment habe ich überlegt, ob ich ihm zärtlich durch die Haare wuscheln sollte, um seine Fassade ein bisschen zu beschädigen. Natürlich habe ich das nicht gemacht, sondern bin brav stehengeblieben und habe ihn seine Show abziehen lassen.

Die Mädchen aus der Gruppe schmolzen sichtlich dahin und ich bin froh, dass ich meine Gesichtsmuskeln mit zunehmendem Alter besser im Griff habe als früher. Allerdings konnte ich mir später einen kleinen Spruch nicht verkneifen. Mein Sohn grinste und sagte nur: „Ist halt wichtig, cool zu sein.“

Erinnerungen

Jetzt erinnere ich mich daran, wie doof ich es fand, dass meine Eltern immer zuhause waren. Und überlege, wie ich regelmäßig das Haus für meine Kinder räumen kann, damit sie manchmal für sich allein sein können, ohne Mama im Arbeitszimmer. Denn mit einer Mutter im Haus ist es offensichtlich nicht immer so cool.

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