Eine Mutter schlägt ihr Kind in der Öffentlichkeit – hätte ich eingreifen müssen?

Mutter schlägt ihren Sohn
Ein kleiner Klaps hat noch niemandem geschadet? Unsere Autorin ist da anderer Meinung!
© Bigstock / Lopolo

Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Das legen die UNO-Kinderrechtskonvention und das Bürgerliche Gesetzbuch fest. Was aber, wenn man im Alltag dennoch mit Gewalt gegen Kinder konfrontiert ist? Unsere Autorin Daniela Kirschbaum fand sich vor einigen Jahren in einer Situation wieder, die sie sprachlos gemacht hat.

Es geschah mitten im Bus

Es ist nun schon einige Jahre her, da war ich an einem heißen Sommertag mit meinem Baby im Bus unterwegs. Die Leute standen dicht gedrängt, es gab keine Klimaanlage, die Stimmung war aufgeheizt. Plötzlich wurde ich auf eine Situation aufmerksam, die heute noch meinen Puls in die Höhe schnellen lässt:

Da saß eine Mutter mit ihrem etwa zwei Jahre altem Kind. Ein Alter also, in dem die Kleinen fast noch Babys sind, ihre Umwelt erkunden und sicherlich so einiges tun – nur nicht stillsitzen. Die Temperaturen, der vollgestopfte Bus und ihr zappelndes und lautes Kind brachten die Mama hörbar an ihre Grenzen.

Sie schimpfte lautstark mit dem Kleinen – Auf eine Art und Weise, die ich hier nicht wiederholen möchte. Gerade setzte ich an, sie zu bitten, sich im Ton zu mäßigen, da zog sie ihr mittlerweile am Sitz stehendes Kind unsanft zurück. Gleichzeitig gab sie ihm einige Klapse in die Seite. Unmissverständlich, ganz eindeutig hatte sie ihr Kind geschlagen. In der Öffentlichkeit. Mitten im vollbesetzten Bus!

Wie reagieren?

Mir blieb die Spucke weg. Ungefähr fünf Sekunden dauerte es, bis ich ein paar Worte zusammengesucht hatte, um sie der Mutter an den Kopf zu werfen: Seine Kinder zu schlagen, das ist verboten! Wenn sie damit nicht sofort aufhört, gebe ich dem Busfahrer Bescheid und hole die Polizei. Der Mutter war die Situation sichtlich unangenehm. Kein Wort sagte sie mehr und auch ihr Kind ließ sie endlich in Ruhe.

Gewalt in der Erziehung ist immer noch salonfähig!

Doch im Bus ereignete sich Besorgniserregendes: Im Nu teilten sich die Fahrgäste in zwei Lager. Eines, das mich unterstützte, und ein zweites – leider gar nicht so kleines – das lautstark die Meinung vertrat, dass „eine gesunde Watsche“ noch keinem Kind geschadet habe. Und zum zweiten Mal an diesem Tag blieb mir die Spucke weg. Haufenweise Menschen saßen da, die die Mutter in ihrem falschen Tun bestärkten und Gewalt gegen Kinder als Erziehungsmittel nicht nur verharmlosten, sondern guthießen. Das Tragische an der Sache: In dem Moment bildeten die Fahrgäste im Bus 31A statistisch die Gesellschaft ab!

Ein Anruf beim Jugendamt brachte Klarheit

An der nächsten Haltestelle stieg die Mutter mit hochrotem Kopf aus. Die Situation ließ mich nicht los. Hätte ich deutlicher eingreifen müssen? Vielleicht gleich die Polizei holen, ohne „Vorwarnung“? Noch am selben Tag rief ich beim Jugendamt an, schilderte den konkreten Fall und bat um Rückmeldung, ob in der Situation ein anderes Handeln sinnvoller gewesen wäre.

Der Mitarbeiter vom Jugendamt meinte dazu, dass mein verbales Einschreiten soweit der richtige erste Schritt gewesen sei. Konfrontation damit, dass eben auch „ein paar Klapse“ per Gesetz verboten sind, sei wichtig, da viele Eltern das tatsächlich gar nicht wissen. Im Bedarfsfall hätte man ebenfalls den Busfahrer einbinden können, damit dieser die Polizei verständigt. Eine andere Möglichkeit wäre es gewesen, der Mutter zu folgen, in der Hoffnung, sie ist am Heimweg, sich die Adresse zu notieren und Meldung beim Jugendamt zu machen.

Nach diesem Telefonat war ich ein bisschen beruhigter. Zwar ließ mich die Situation selbst nicht wirklich los, aber ich hatte das Gefühl, bei einer Wiederholung besser gewappnet zu sein. Denn eines ist klar: Solche Dinge passieren aus heiterem Himmel und überfordern. Umso besser, wenn man dann bereits Handlungsmöglichkeiten parat hat!