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Vom Schrecken der Geburt – Wenn alles anders läuft als geplant

Symbolbild: Mama mit Kind im Arm
Mein langer Weg zur selbstbestimmten Geburt.
@ Unsplash / Jonathan Sanchez

In der Vorstellung ist die Geburt des eigenen Kindes ein magischer Moment. In der Realität kann es ganz anders laufen. Auch bei Mama Saskia verliefen die Geburten von Kind eins bis drei mehr traumatisch als traumhaft. Wie sie bei Kind Vier endlich zu einer selbstbestimmten Geburt gefunden hat, erzählt sie hier.

Das muss man erst mal verarbeiten

Die Geburt von Sohn 1 war für mich ein traumatisches Erlebnis und auch die Geburt von Tochter 1 musste ich lange verarbeiten. Mit dem heutigen Abstand würde ich mir bessere und unaufgeregtere Aufklärung, weniger Mütter-Ego, mehr Entspannung und ein anderes Begleiten im Kreißsaal wünschen.

Ja, wir sind schon ein gutes Stück entfernt von früheren Gepflogenheiten rund um die Geburt und die Schwangerschaft. Es geht schon viel mehr um die Bedürfnisse des Babys und auch der Mutter. Aber an einigen Stellen scheint es schwer zu sein, das alte Denken loszulassen und sich auf die individuelle Situation einzulassen. Das liegt mit Sicherheit auch an den schwierigen Bedingungen des Gesundheitssystems, aber in einigen Details scheint es mir eine Frage der Haltung zu sein.

Alles anders als geplant

Als bei Sohn 1 am Morgen die Fruchtblase platzte, fühlte ich mich bestens gewappnet. Meine Kliniktasche war seit drei Wochen fertig gepackt und ich mehr als bereit, endlich mein Baby in den Armen zu halten, anstatt mit riesigem Bauch zu watscheln. Aber dann ging es nicht so bilderbuchartig voran. Er rutschte nicht runter und ich sollte laufen, um die Wehen zu verstärken.

Gleichzeitig hatte man mir im Vorbereitungskurs gesagt, mit geplatzter Fruchtblase solle man am besten kein Risiko eingehen wegen der Position des Babys. Diese sich widersprechenden Informationen verunsicherten mich und ich drehte nur widerwillig meine Runden. Nach drei Stunden durften wir einen Kreißsaal beziehen und ich sollte in die Badewanne gehen. Das verstärkte auf jeden Fall die Wehen, aber bis aufs Übergeben passierte nichts.

Das zweite Mal übergab ich mich bei der ersten Beleghebamme auf die Schuhe, als ich auf dem Petziball hüpfte und rollte. Diese Hebamme sagte gleich zu Beginn, sie würde nicht immer den Muttermund messen, das würden wir schon merken, wenn es weiterginge. Wenn man aber das erste Mal so direkt bei einer Geburt dabei ist, merkt man viel, was man nicht einordnen kann.

: Alles, was du wissen musst

Hebamme 2 merkte dann, dass es nicht weiterging, aber erst Hebamme 3 – rund 16 Stunden nach dem Platzen der Fruchtblase – ging das Ganze eher proaktiv an. Ich warf meine Bedenken über Bord und bekam eine PDA. Mit zwei Betten im Kreissaal schliefen wir einen Moment, bis es „wirklich“ losging. Sohn 1 hatte sich bei dieser wilden Party zweimal die Nabelschnur um den Hals gewickelt und nur der dritten Hebamme ist es zu verdanken, dass er heute hier und ein so lustiges und quietschfideles Kerlchen ist.

„Sie müssen sich nur entspannen“

Bei Kind 2 erwartete mich Hebamme 3 der vorherigen Geburt. Dadurch war ich so entspannt, dass alles innerhalb von zwei Stunden erledigt war. Heute weiß ich nicht so richtig, warum ich bei der Geburt von Tochter 1 so angespannt gewesen bin. Irgendwie lief es eben nicht so gut. Es musste eingeleitet werden, die Größe wurde permanent betont und meine Hebamme von Geburt 1 und 2 war nicht da.

Durch die falsche Geburtsposition von meinem Baby – die keiner bemerkt hat – hat es sich so angefühlt, dass es mir mit den Erfahrungen aus Geburt 1 und der Nabelschnur Angst gemacht hat. Diese Angst konnte ich nicht gut kommunizieren und sie wurde dementsprechend nicht gesehen.

Die eingeschränkten Kommunikationsfähigkeiten unter der Geburt sind mit Sicherheit ein Problem der meisten Frauen. Aber deswegen ist es umso wichtiger, dass dort Menschen arbeiten, die wirklich zuhören können, und die hierfür die Zeit haben. Bei mir haben sie leider nur Akupunkturnadeln zur Entspannung angeboten und mir den Wunsch nach einem Kaiserschnitt abgesprochen. „Das ist unnötig.“ „Sie schaffen das.“ „Sie müssen sich nur entspannen.“

Keine Ahnung, ob der Kaiserschnitt besser gewesen wäre. Vielleicht hätte mich die Wundheilung sehr genervt und im Alltag mit drei kleinen Kindern viele Probleme mit sich gebracht. Aber das Gefühl, nicht über meinen Körper entschieden zu haben, arbeitet bis heute in mir.

Mehr Atmung und Entspannung bitte

Vor Geburt 4 war ich nach dieser Erfahrung ein nervöses Wrack und habe Entspannungsübungen gemacht. Hypnobirthing mit der Atemmethode und dem ruhigen Zurückziehen auf sich selbst hat diese Geburt zu der entspanntesten und selbstbestimmtesten Geburt für mich gemacht. Aber liegt das an den Erfahrungen oder wäre das nicht auch früher möglich gewesen, wenn die Begleitung anders gewesen wäre? Wäre ein Schwerpunkt auf Entspannung in der Vorbereitung nicht möglich?

: Schmerzfreie Geburt dank Hypnose

Bei Geburt 2 habe ich einen Crashkurs in der richtigen Atmung bekommen und erst bei Geburt 4 habe ich es wirklich verstanden. Bestimmt gibt es Frauen, die hier schneller im Verstehen sind, aber für viele Frauen ist die Atmung unter den heftigen Schmerzen einer der entscheidenden Punkte. Nun kann man im Vorbereitungskurs den Schmerz der Geburt nicht nachstellen – auch wenn ein Vater in einem solchen Kurs bereitwillig vorschlug, er könne seiner Frau mit dem Hammer kräftig auf den Fuß schlagen. Aber Entspannung über Atmung bleibt auch in den Kinderjahren ein so wichtiges Thema und hat in meinen Kursen dafür zu wenig Raum eingenommen.

Über meine erste große Mama-Auszeit nach 11 Jahren, berichte ich hier.

Keine Heldengeschichten

Die meisten Informationen in meinen Geburtsvorbereitungskursen waren mir entweder zu esoterisch, zu blumig oder zu „rein biologisch-informativ“. Wer sich gar nicht zurückhalten konnte mit lauter Details waren bei mir hingegen ältere Mütter. Bei einigen Feiern habe ich Frauen ab Mitte vierzig aufwärts getroffen, die mir nur zu gerne in den schillerndsten Details von ihren Geburtserlebnissen erzählt haben.

Nachhaltig geprägt hat mich auch eine Wertung: „Probleme unter der Geburt liegen immer an der Psyche der Mutter.“ – Dieser Satz drückt bedauerlicherweise bei vielen Frauen und Männern eine Haltung durch die ganze Kindheit aus – irgendwie ist Mutti schon immer selbst schuld. Stillen läuft nicht – Mutti Schuld. Kind weint viel – Mutti nicht entspannt genug … einfache Erklärungsmuster gepaart mit klarer Schuldzuweisung halten sich ja bekanntlich am längsten.

Statt beeindruckender Heldenschichten hätte es mir geholfen, wenn die Frauen sich ehrlich und verletzlich gezeigt hätten. Denn das ist jede von uns unter der Geburt – verletzlich und zugleich stark wie sonst selten im Leben.

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