Ich möchte nicht missverstanden werden. Spielplätze sind toll und es sollte viel mehr von ihnen geben. Ich warte ja beispielsweise noch immer auf einen generationenübergreifenden Spielplatz – in Zeiten von Corona werde ich da wohl noch länger warten. In der Stadt sind sie oft genug die einzigen Orte, an denen Kinder – eigentlich zumindest – relativ frei toben können.
Allerdings war ich in diesem Jahr wieder häufiger auf dem Spielplatz – auch mit allen vier Kindern. Und in der Praxis sind Spielplätze oft weniger ein Platz für die Kinder als sowohl ein Platz für interessante Sozialstudien und neue Selbsterkenntnisse.
Multitasking deluxe
Bei vier Kindern brauche ich gefühlt Augen in alle Richtungen und Teleskoparme. Leider habe ich beides mit den Geburten keineswegs mitgeliefert bekommen. Natürlich sind die Jungen bei uns schon größer und dürfen auch alleine auf den Spielplatz gehen.
Sind wir aber alle da, habe ich regelmäßig das Bedürfnis, zu schauen, wo sie alle stecken und ob alles gut ist. Bei jedem Kreischen checke ich, ob eins meiner Kinder dabei ist und ob es Spiel- oder Ernst-Kreischen ist.
Dann möchten sie alle gleichzeitig etwas essen oder trinken und haben eine gewisse Empfindsamkeit, wenn eines der Geschwisterkinder eine Dose zuerst schnappt oder schneller die Flasche bekommt. Aber gut, diese Befindlichkeiten begleiten uns nicht nur auf dem Spielplatz, sondern sind je nach Stimmung und Phase kleiner oder großer Teil unseres Alltags.
Schaukeln – Nur einmal Anschwung
Eine Freundin von mir mit älteren Kindern sagte einmal zu mir: „Faule Eltern fördern Selbstständigkeit.“ Nirgends fällt das mehr auf als beim Schaukeln. Bei Sohn 1 stand ich gefühlt jeden Nachmittag auf dem Spielplatz unmittelbar an der Schaukel stand. Ich gab ihm Anschwung und erklärte wieder und wieder, wie das Schwungholen funktionierte.
Mein Engagement hinsichtlich des Anschwunggebens nahm mit jedem Kind weiter ab. Am meisten Probleme mit dem Schwungholen hat übrigens bis heute Sohn 1. Daran denke ich, wenn Tochter 2 nachhaltig „nur noch einmal Anschwung“ einfordert …
Trotzdem zehrt es an meinen Nerven und ich fühle mich wie die schlechteste Mutter von allen, wenn ich nicht permanent an der Schaukel stehe. Denn die Blicke der anderen Eltern scheinen mich zu verfolgen.
Helikoptern – Ein eher anstrengender Sozialzwang
Meine jüngste Tochter ist gerade zweieinhalb und hat manchmal echte Klebstoff-Tendenzen. Nach einem sehr vernuschelten Vormittag mit vielen Büchern auf dem Schoss waren wir auf dem Spielplatz verabredet.
Während Tochter 1 relativ schnell im Gebüsch verschwand, blieb Tochter 2 an mir kleben. Und sie klebte und klebte, rief „Mama komm“ und zog an meiner Hand. Alles sehr possierlich, aber da sie bereits seit sechs Uhr morgens an mir klebte, fühlte ich mich eher an Zombies erinnert.
Aber nun gut, manchmal braucht es ja diesen kleinen Moment, indem Mama oder Papa mitkommen und im Anschluss läuft das Kind alleine los. Also gingen wir zur Reifenschaukel. Nach der Reifenschaukel zum Klettergerüst, auf das sie vollständig alleine kann. Aber mit Publikum klettert es sich besser. Dann wurde gerutscht und im Anschluss legte sie sich in die Hängematte.
Als sie zum kleinen Karussell wollte, sagte ich ihr, dass sie das alleine machen könne und ich kurz einen Schluck Kaffee trinken würde (kein Spielplatzbesuch ohne Kaffee). Das brachte meine Tochter zum Weinen. Ich ging nach einer weiteren kurzen Erklärung trotzdem und beobachtete sie, wie sie mich unter Trotztränen beobachtete.
Außerdem schauten mich viele Eltern an, dass ich jetzt bitte meine Tochter abstellen sollte. Schließlich war nur zu deutlich, dass dieses Mädchen jetzt bitte sofort seine Mutter brauchte. Das sind Situationen, die ich bis heute schlecht aushalten kann.
Ich möchte dann am liebsten brüllen, dass ich meine Kinder keineswegs vernachlässige, nur weil ich nicht zum permanenten Entertainer und zur reinen Wunscherfüllungsmaschine mutiere. Da empfinde ich den Druck durch andere Eltern als sehr hoch.
Manchmal mutiere ich zum Helikopter und manchmal bin ich einfach zu müde. Beides macht mich nicht glücklich und lässt mich die Nachmittage auf dem Spielplatz ein kleines bisschen hassen.
Mehr Erwachsene als Kinder
Allerdings muss ich zugeben: Auch ich beobachte andere Familien. Als wir eines Vormittags zum Auslüften auf den Spielplatz gingen, war dort bereits eine andere Familie. Offensichtlich waren beide Großelternpaare zu Besuch und feierten vermutlich den ersten Geburtstag ihres einzigen Enkels. Wo könnte dies besser gehen als auf dem Spielplatz?
Das kleine Geburtstagskind konnte noch nicht laufen, aber Opa probierte den Kran mit ihm auf dem Schoss aus. Als Opa der Ehrgeiz packte und er den metallenen Kran etwas rasant lenkte, wäre Junior fast vom Schoss gerutscht. Omas beherztes Zugreifen verhinderte diese Beule. Während Opas und Papas über die Bauweise der Wackelbrücke sprachen und der eine Opa rutschte, wäre Junior beinahe vertrauensvoll vom Türmchen gekrabbelt.
Im Anschluss flog er mit Oma und Oma auf die Wippe, wo er jedoch anfing zu weinen. Meine Kinder fuhren derweil alle harmonisch im Karussell. Fasziniert von den Strukturen der anderen Familie, verpasste ich beinahe diesen so einträchtigen Moment zwischen meinen Kindern.
Ab in die Winterpause
In der Theorie finde ich Spielplätze großartig. Beulen, blaue Flecken, aufgeschlagene Knie und Sand in den Haaren gehören zu jeder vernünftigen Kindheit unbedingt dazu. In der Praxis lenken mich Sozialstudien und der soziale Druck oft davon ab. Vielleicht braucht meine Liebe zu Spielplätzen nach 8 Jahren mit Kindern im Spielplatzalter schlicht etwas Distanz … Für den Winter probieren wir erst einmal eine Fernbeziehung.
Und vielleicht stimmt auch hier: Absence makes the heart grow fonder.