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Die Rolle als Stiefmutter in der Patchworkfamilie: So leben Patchworkfamilien
Laut dem Statistischen Bundesamt wurden 2017 in Deutschland 153.500 Ehen geschieden. Aber jedes Ende kann auch ein neuer Anfang sein. Viele Menschen finden nach einer Scheidung neue Partner – manche heiraten auch wieder. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) heiraten knapp die Hälfte der geschiedenen Männer und Frauen in Deutschland wieder. Da bei der Hälfte aller Scheidungen minderjährige Kinder betroffen sind, ergeben sich immer mehr Patchworkfamilien – mit einem Stiefvater oder einer Stiefmutter.
Definition Stiefmutter: Wann gilt man als Stiefmama?
In der Alltagssprache bezeichnet man die neue Frau des Vaters als Stiefmutter. Dabei ist es gleich, ob der Vater sich von der leiblichen Mutter getrennt oder geschieden hat oder ob die leibliche Mutter verstorben ist. Ebenso unerheblich ist es, ob die neue Frau mit dem Vater verheiratet ist oder nicht.
Rechtlich sieht das allerdings anders aus:
Erst wenn das Paar verheiratet ist, wird man zum offiziell zum Stiefelternteil. Frauen in einer Beziehung mit einem Partner, der Kinder aus einer früheren Beziehung hat, gelten rechtlich gesehen nicht als Stiefmutter der Kinder. Das Gleiche gilt auch andersherum für die eigenen Kinder, die mitgebracht werden.
Adoption von Stiefkindern
Durch eine Adoption wird die Stiefmutter rechtlich gesehen zu der vollwertigen Mutter des Kindes. Sorge- sowie Umgangsrecht, Unterhaltspflicht und Angelegenheiten zum Erbrecht gehen auf sie über (§ 1754 BGB). Das heißt, dass die leibliche Mutter alle Rechte gegenüber dem Kind verliert. Deshalb ist auch die Zustimmung der leiblichen Mutter für eine Adoption nötig. Bei größeren Kindern muss das Kind selbst auch zustimmen. Bisher war eine Adoption nur für verheiratete Paare erlaubt. Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sollen ab März 2020 auch Unverheiratete Stiefkinder adoptieren dürfen.
Rechtlicher Status: Rechte einer Stiefmutter
Stiefmütter haben nicht die gleichen Rechte wie der Vater oder die leibliche Mutter. Stiefeltern haben zum Beispiel kein Sorgerecht – sie sind demnach auch nicht erziehungsberechtigt. Aber welche Rechte haben sie ihren Stiefkindern gegenüber?
Sorge- und Erziehungsrecht: Das kleine Sorgerecht
Im Falle eines „echten“ Stiefeltern-Verhältnisses, also nach einer Eheschließung, gibt es das sogenannte kleine Sorgerecht.
Eine Stiefmutter mit dem kleinen Sorgerecht kann bei gewissen Dingen, die das Kind betreffen, Entscheidungen treffen. Das geht aber nur im Einvernehmen des Elternteils mit dem eigentlichen Sorgerecht. Damit darf sie über Angelegenheiten entscheiden, „die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben“, heißt es im § 1687 BGB.
Eine Stiefmutter kann zum Beispiel über folgende Dinge entscheiden:
- schulischer Alltag
- Entscheidung über Nachhilfe, Entschuldigung im
- Krankheitsfall, Abholen
- Medizinische Versorgung
- Behandlung leichter Krankheiten, Vorsorgeuntersuchungen,
- Standartimpfungen
- tägliche Versorgung
- Nahrung, Hygiene, Kleidung, Schlafenszeit
- Freizeitgestaltung
- Fernsehkonsum, Taschengeld, Hobbies
Entscheidungen von wichtiger Bedeutung – also solche, die nicht so einfach umkehrbar sind – fallen nicht in das kleine Sorgerecht. Das sind zum Beispiel:
- Kindergarten- und Schulwahl sowie -wechsel
- Taufe/ Namensgebung oder Namensänderung
- große Operationen (in einer Notfallsituation, in der kein leibliches Elternteil erreichbar ist, kann ein Stiefelternteil trotzdem entscheiden)
Das kleine Sorgerecht gibt es nur, wenn der Ehepartner das alleinige Sorgerecht hat. Wenn sich die Eltern die Sorge teilen, muss eine Vollmacht erteilt werden.
Erbrechtsangelegenheiten: Wie sieht es mit dem Erbe aus?
Das deutsche Erbrecht hat die klassische Familie im Blick. Stiefkindern sind also leiblichen oder adoptierten Kindern nicht gleichgestellt. Nach §1924 BGB können nur die eigenen Kinder bei der gesetzlichen Erbfolge berücksichtigt werden. Eine Stiefmutter sowie ihre Kinder haben im Erbe also keinen Anspruch auf den Pflichtteil.
Deshalb ist ein Testament oder ein Erbvertrag in Patchworkfamilien auch so wichtig. Haben der leibliche Vater und die Stiefmutter nicht geheiratet, kann das Vermögen durch eine Schenkung dem Partner vermacht werden, erklärt die Notarkammer Schleswig-Holstein. Der Anspruch anderer auf den Pflichtteil wird hierdurch aber nicht ausgehebelt und sollte bedacht werden.
Kann die Stiefmutter im Todesfall das Sorgerecht erhalten?
Wenn ein Partner stirbt, unterscheidet das Gesetz zwischen leiblichen Kindern und Stiefkindern. Grundsätzlich hat die Stiefmutter in diesem Fall kein Recht darauf, die Kinder weiterhin versorgen zu dürfen. Denn ein Stiefelternteil ist kein Verwandter des Kindes. Das Jugendamt beauftragt in solchen Fällen den nächsten Blutsverwandten mit der Betreuung der Kinder. Das ist meist der Ex-Ehepartner oder Großeltern. Verhindert werden kann das, wenn eine Sorgerechtsverfügung aufgesetzt wurde.
Durch eine sogenannte Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB kann ein Stiefkind auch bei seiner Stiefmutter bleiben, obwohl das andere leibliche Elternteil das Sorgerecht hat. Diese Anordnung ist meistens allerdings nicht dauerhaft und eher dafür gedacht, damit dem Kind der Umzug leichter gemacht wird. Wenn davon auszugehen ist, dass das Kindeswohl beim sorgeberechtigten Elternteil in Gefahr ist, kann sie allerdings verlängert werden.
Im Falle einer Scheidung: Umgangspflicht oder Besuchsrecht?
Ein Stiefelternteil hat keine Pflicht zum Umgang mit dem Kind. Wenn die Frau wirklich im Leben des Kindes involviert war, kann ihr ein Besuchsrecht zugesprochen werden (§ 1685 Abs. 2 BGB). Vor allem, wenn sie eine enge Bindung zum Kind aufgebaut hat, wird das Besuchsrecht oft wegen dem Kindeswohl erlaubt.
Die Pflichten einer Stiefmutter
Stiefmütter haben auch andere Pflichten als der Vater oder die leibliche Mutter.
Müssen Stiefeltern auch Unterhalt zahlen?
Nein! Eine Stiefmutter oder ein Stiefvater muss rechtlich gesehen keinen Unterhalt zahlen. Stiefeltern geben meistens im Alltag trotzdem Geld für ihre Stiefkinder ab. Laut dem Familienportal des BMFSFJ können Stiefeltern dieses Geld des Elternteils, das Unterhalt zahlen muss, zurückfordern.
Versicherungsangelegenheiten in der Patchworkfamilie
In der gesetzlichen Krankenversicherung sind nur leibliche Kinder mitversichert. Die eigenen Kinder der Stiefmutter bleiben bei dem Elternteil versichert, bei dem sie zuvor versichert waren.
Die böse Stiefmutter: Nur ein Märchen?
Abweisend, herzlos und nachlässig – das alles sind Synonyme, die der Duden für das Wort „stiefmütterlich“ nennt. Woher kommt der schlechte Ruf? Aus den Märchen! Die eine versucht Schneewittchen mit einem Apfel zu vergiften – die andere benutzt Aschenputtel als Putzkraft. Die böse Stiefmutter ist immer noch ein Klischee, das in den Köpfen der Menschen besteht.
“Stief-” bezeichnet im Deutschen ein nicht-leibliches Verwandtschaftsverhältnis, das durch spätere Wiederverheiratung zusammenkommt. Das mittelhochdeutsche Wort “stief” hat seinen Ursprung vom altgermanischen Wort “stipan”, was “rauben” oder “vernachlässigen” bedeutet. Das ist ein Grund, warum die Rolle der Stiefmutter im Alltag so negativ behaftet ist.
Auch die Forschung ging lange Zeit vom „Aschenputtel-Effekt“ aus. Demnach sogt eine Stiefmutter oder ein Stiefvater schlechter für Stiefkinder, weil sie nicht die gleichen Gene haben. Eine Untersuchung des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung widerlegte das aber 2013. Demnach hängt die „Fürsorge der Eltern von mehr ab als von der biologischen Verwandtschaft.“
Was macht die Stiefmutter-Rolle mit mir als Frau? Eine psychologische Erklärung
Die Psychologin Katharina Grünewald ist Mutter zweier leiblicher Kinder und zweier Stiefkinder. Über ihre Erfahrungen als Stiefmutter hat sie ein Buch geschrieben: „Glückliche Stiefmutter. Geht’s mir gut, geht’s allen gut“. Im Gespräch mit der Zeitung Welt erzählt sie von dem enormen psychologischen Druck, den die Rolle als “Ersatzmutter” mit sich bringt:
„Stiefmütter wollen häufig unbedingt alles richtig machen. Sie sind umsichtig, verständnisvoll, bemüht, sie verbiegen sich geradezu, um die Gunst der Kinder zu erlangen. Leider erreichen sie damit genau das Gegenteil.“
Ihre Erfahrung stützen wissenschaftliche Untersuchungen: Der Familienforscher Harald Werneck sieht den Grund vor allem in der unterschiedlich verteilten Partnerdynamik. So gehen Männer schneller eine neue Beziehung ein als Frauen – was den Gewöhnungseffekt von Kindern an die neue Partnerschaft oft erschwert. Laut Werneck hoffen viele Scheidungskinder noch darauf, dass ihre Eltern wieder zusammenkommen, die neue Frau des Partners ist dann ein doppelter Schlag.
Gerade wenn die neue Frau sich besonders bemüht “mütterlich” zu sein, also viel Verantwortung im Haushalt und im Leben der Stiefkinder übernimmt, haben die Kinder dann das Gefühl, dass die Stiefmutter die leibliche Mutter “ersetzen” und “verdrängen” will. Dieser Spagat führt laut einer amerikanischen Studie dazu, dass Stiefmütter ein hohes Risiko haben, an Depressionen zu erkranken.
Die Rolle des leiblichen Vaters in einer Patchworkfamilie
Aus ihrer Erfahrung als Familientherapeutin weiß Katharina Grünwald, dass die Väter die Schlüsselrolle haben, um die Konflikte zu lösen – diese Rolle aber oft nicht wahrnehmen. Das liegt unter anderem daran, dass 70 Prozent der Kinder bei einer Trennung bei der leiblichen Mutter leben und dadurch viel weniger Zeit bei ihrem Vater verbringen.
In dieser begrenzten Zeit wollen viele Väter keine Konflikte austragen und lagern so (unbewusst) die Verantwortung für den Familienfrieden auf die Stiefmutter aus.
Tipps für ein harmonisches Miteinander in der Patchworkfamilie
Doch wie kann der Frieden in einer Patchworkfamilie gewahrt werden – und welche Rolle spielen dabei die leiblichen Eltern, die Stiefeltern und die Kinder? Darauf gibt es wahrscheinlich so viele verschiedene Antworten wie es unterschiedliche Patchworkfamilien gibt – doch psychologische Studie zeigen, dass vor allem eine klare Kommunikation der Parteien der Schlüssel zum Familienfrieden ist.
#1 Klare Absprachen zwischen Vater, Stiefmutter und Kindern
Die Diplom Psychologin Susann Kunze vom Zentralinstitut für Ehe und Familie hat in einer großen Studie mit 430 Personen aus Stiefvaterfamilien und 188 Personen aus Stiefmutterfamilien herausgefunden, dass klare Ansagen der leiblichen Eltern das Wichtigste für ein harmonisches Zusammenleben in einer Patchworkfamilie sind – gerade vom leiblichen Vater.
So muss der Vater eindeutig Position für die neue Frau beziehen und so auch den Kindern klar signalisieren: “Diese Frau gehört jetzt zur Familie!” Das stärkt die Partnerschaft und entlastet die Stiefmutter davon, sich diese Rolle selbst zu erkämpfen.
#2 Verständnis für Emotionen der Stiefkinder
Doch auch wenn die Kinder die “neue Frau” nicht als Mutter akzeptieren, ist es laut der Psychologin Katharina Grünewald wichtig, diese Emotionen ernst zu nehmen und keine Bindung erzwingen zu wollen. Gerade wenn ein Loyalitätskonflikt besteht, also etwa die leibliche Mutter die die Stiefmutter nicht akzeptiert, ist es entscheidend, die Kinder nicht zur “Liebe” zwingen zu wollen.
Grünewald rät in diesen Fällen einen Schritt zurück zu gehen und auf sich selbst und die Partnerschaft zu achten. Besser als ein “Anbiedern” sei es, den Kindern Freiraum zu geben, ihre Gefühle zu respektieren und ihnen Zeit zu lassen. Die Wissenschaft gibt ihr Recht: Im Schnitt brauchen Kinder 3,3 Jahre um sich selbst als “glücklich” mit der neuen Partnerin des Vaters zu bezeichnen.
#3 Keine Angst vor Hilfe von Außen
Aber sei dir immer bewusst: Das Familienleben ist schwierig – und das Leben in einer Patchworkfamilie erst recht. So etwas wie eine “normale Famile” gibt es nicht, jede Familie hat eine eigene Dynamik und eigene Konflikte.
Manchmal tut es aber auch gut, einfach nur zu reden und sich mit Frauen in der gleichen Situation auszutauschen. Susanne Petermann hat die Webseite “Stiefmutterblog” ins Leben gerufen, auf der sie über ihr Leben als zweifache Stiefmutter spricht, rechtliche Fragen klärt und in einem Forum eine Austausch-Plattform für Gleichgesinnten bietet.
Falls du das Gefühl hast, dass du oder deine Familie unter den Problemen leidet, solltest du dich nicht scheuen, auch Hilfe von Familientherapeuten oder Anlaufstellen für Patchworkfamilien anzunehmen.
Hier findest du Ansprechpartner: