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Trennung mit Kindern: Ist das traditionelle Familienbild noch zeitgerecht?

Symbolbild: Frau legt Ehering auf den Tisch
Vater, Mutter, Kind: Ist das noch zeitgemäß?
© Pexels / Cottenbro Studio

„Ich warte auf mein Dorf“: Mama Philine über die festgefahrene „Vater-Mutter-Kind“-Dynamik im klassischen Familienbild und ihre Suche nach zeitgemäßeren Familien-Modellen, seit sie sich von ihrem Partner gelöst hat.

Trennungen sind nie schön

Ich bin alleinerziehende Mutter aka. Single Mom (das hört sich doch schon viel cooler an). Selbstverständlich habe ich mir den Ausgang meiner Familie anders vorgestellt. Obwohl ich schon immer der Meinung war, dass der Vater meiner Kinder nicht gleichzeitig die Liebe meines Lebens sein muss.

Trotzdem ist eine Trennung nie schön und bringt große Veränderung mit sich, vor allem für die Kleinsten von uns. Dabei denke ich über meine Entscheidung nie bewusst als ‘Trennung’ nach, sondern bezeichne die Entscheidung viel mehr als ‘sich voneinander lösen’. Das sich voneinander Lösen schildert die Situation weitaus besser.

Voneinander Lösen statt Trennen

Beim Lösen handelt es sich um einen Prozess und ist nichts Endgültiges. Es bringt Freiraum selbst zu gestalten, wie stark man sich voneinander löst und entfernt. Ich habe mit meiner Entscheidung lediglich Strukturen verändert, aber wirklich getrennt bin ich von meinem Ex-Partner nicht. Wir haben einen Weg gefunden uns vom Schlechten zu lösen, aber die guten Eigenschaften, wie Urlaub mit den Kindern, Aktivitäten, Familientage, gemeinsam essen und lachen, die behalten wir.

Eine Trennung geht häufig mit Endgültigkeit einher, wie ein Blatt, dass in zwei Stücke zerrissen wurde. Letzten Endes ist es aber so, dass die Verbindung zueinander immer bestehen bleibt: Er bleibt der Vater meiner Kinder und ich die Mutter seiner.

Wieso aber werden Trennung bis heute als ‘gescheitert’ gesehen?

Trennungen sind gesellschaftlich immer noch verpönt. Ich möchte gar nicht erst damit anfangen, mit welchen Vorurteilen sich eine Single Mom auseinandersetzen muss. Dabei ist das traditionelle Familienbild von Vater, Mutter, Kind und Golden-Retriever gar nicht mehr zeitgerecht. Unsere Gesellschaft hat sich über die Jahrzehnte stark verändert, nur das traditionelle Familienbild, das bleibt bis heute bestehen.

Die festgefahrene „Vater-Mutter-Kind“ Dynamik

Selbst unsere Kinder werden mit deren Geburt in festgefahrene Familienstrukturen geboren, was Auswirkungen darauf hat, wie sie ‘Familie’ wahrnehmen. Diese Strukturen sind jedoch Ergebnis von Patriarchalismus und Sexismus. Sie sind Grundlage von Ungleichheiten zwischen Mann und Frau innerhalb der Elternschaft, aber auch in der Berufswelt.

Dabei gibt es etliche Formen von Familie und das muss nicht unbedingt die sein, an die als Nächstes gedacht wird: ‘Patchwork’. Patchwork-Familien sind nämlich auch nur zwei traditionell „gescheiterte“ Familien, die zueinander gefunden haben. Wie tragisch!

Stress innerhalb der Familie

Das, was früher als Familie bezeichnet wurde – nämlich die Großfamilie – existiert heute nicht mehr. Heutzutage sind Familien isoliert und einsame Inseln. Bis heute kenne ich mehr unglückliche und gestresste Familien als glückliche und das wiederum überträgt sich auf die emotionale Stabilität unserer Kinder. Fast jede Familie, wie auch meine, ist extremen Stress und gesellschaftlichen Druck ausgesetzt.

Es ist fast unmöglich zu Zweit, ohne Unterstützung Kinder heranwachsen zu lassen, einer Karriere nachzugehen, körperlich aktiv zu bleiben, sich gesund zu ernähren, den Haushalt zu schmeißen und dabei eine funktionierende Beziehung aufrechtzuerhalten.

Es heißt ja schließlich nicht umsonst „Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf“. Aber ich erfuhr früh, dass es dieses Dorf gar nicht gibt und jegliche Verantwortung bei einem selbst liegt. Manchmal hatte ich das Gefühl einen Marathon im Sprint zu durchlaufen, ohne Pausen.

Die Last auf den Schultern der Mütter

Irgendwann kam dann der Feminismus, der Frauen aufforderte: Arbeitet und macht euch unabhängig. Jetzt hat der Staat zwar ein paar Steuerzahlerinnen mehr, aber der Haushalt und die Erziehung bleiben weiterhin überwiegend auf den Schultern der Mütter liegen. Dass sich immer mehr Mütter, trotz Kindern, von ihren Beziehungen lösen ist meiner Meinung nach keinesfalls „zu schnelles aufgeben“, „zu viel Auswahl“, oder „eine Digitalisierungsproblematik“, sondern die Befreiung von veralteten Strukturen.

Allem entgegen, wie traditionell eben auf so eine Trennung reagiert wird; „Schade, dass ihr als Familie gescheitert seid” oder “die armen Kinder”, habe ich für mich erkannt, dass ich mit meiner Entscheidung alte Strukturen durchbreche und einen keinen Teil dazu beitrage, veraltete Familienbilder und Vorurteile von Trennungen zu demontieren. Ich nehme mir die Freiheit ‘Familie’ so zu definieren, wie ich sie empfinde. Mit meiner Entscheidung bin ich nicht nur mir selbst nähergekommen, sondern habe meinen Kindern gezeigt, dass eine Trennung nicht das Ende von Familie bedeuten muss.

Aber was ist nun ein zeitgemäßes Familienbild?

Das ist doch eigentlich ganz einfach: Dort wo man sich am wohlsten fühlt. Und das ist jedem selbst überlassen, dies zu definieren. Ich habe mittlerweile die unterschiedlichsten Formen von Familien kennengelernt:

  • Frauen, die mit einem homosexuellen Paar ein Kind bekommen haben.
  • Single Moms, die zusammengezogen sind und ihre Kinder gemeinsam aufziehen.
  • Homosexuelle Paare unterschiedlichen Geschlechts, die entschieden haben gemeinsam eine Familie zu gründen.
  • Vater-Mutter-Kind, die mit der Großmutter zusammenleben.
  • Beste Freunde, die gemeinsam Kinder bekommen und eine Eltern-WG gründen.

Alle oben genannten Varianten sind meiner Meinung zeitgerechter und progressiver als jegliche Form vom isolierten und traditionellen Familienbild. Denn das erste Mal sehe ich Familien, die es sich erlauben zu sagen ‘zu Zweit schaffen wir es nicht’.

Und wenn ich ganz ehrlich bin – ich mag ja niemanden in den Schlamm ziehen – aber die Kernprobleme der heutigen Familien sind fast überall die Gleichen. Einziger Unterschied ist: Manche Familien halten durch und andere lösen sich voneinander. Ich auf der anderen Seite, ich warte auf mein Dorf, um Kinder großzuziehen.

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