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Wer kann Umgangsrecht beantragen?
Als Umgangsrecht wird im Familienrecht der Anspruch unter Verwandten auf gegenseitigen Kontakt bezeichnet. Es bezieht sich also in den meisten Fällen auf Kinder von getrenntlebenden Elternteilen. In bestimmten Fällen ist es aber auch möglich, dass andere Verwandte, zum Beispiel Großeltern, die eine enge Beziehung zum Kind haben, ein Umgangsrecht beantragen können. Denn der Gesetzgeber nimmt an, dass der regelmäßige Umgang mit beiden Elternteilen, sowie mit anderen Personen, die dem Kind nahestehen, zum Kindeswohl beitragen. (§ 1626 Abs. 3 BGB).
Grundsätzlich hat das Umgangsrecht das Ziel, dass ein Kind die Trennung seiner Eltern besser verarbeiten kann und eine Bindung zu beiden Elternteilen behält. Damit das Kind außerdem nicht negativ gegen das abwesende Elternteil beeinflusst wird, haben beide Eltern „alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.“ (§ 1684 Abs. 2 BGB).
Wie sieht es in Deutschland mit Sorgerecht, Unterhalt und Umgangsrecht aus?
Aus dem aktuellen Familienreport des Bundesfamilienministeriums geht hervor, dass in den meisten Fällen Mütter das Sorgerecht zugesprochen bekommen. Es gibt demnach in Deutschland 1,44 Millionen alleinerziehende Mütter und nur 182.000 alleinerziehende Väter. Das heißt konkret: In etwa neun von zehn Fällen erhalten Mütter das Sorgerecht und Väter zahlen Kindesunterhalt – erhalten dafür aber in den meisten Fällen auch das Umgangsrecht. Das Umgangsrecht ist jedoch grundsätzlich unabhängig vom Sorgerecht. Das bedeutet also, dass auch bei geteiltem Sorgerecht das abwesende Elternteil das Recht auf Umgang haben kann.
Umgangsrecht: Unterhaltsrechner und Düsseldorfer Tabelle
In vielen Eheverträgen wird der Kindesunterhalt schon vorab festgelegt. Oft werden dafür Unterhaltstabellen oder Unterhaltsrechner verwendet – das bekannteste Beispiel ist hier die Düsseldorfer Tabelle. Jedoch sieht die Realität oft anders aus. Laut einer Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsforschung erhält rund die Hälfte der alleinerziehenden Eltern keinen Kindesunterhalt. Und von den Zahlungen, die beobachtet werden, decken sich nur etwa die Hälfte mit dem Mindestanspruch gemäß der Düsseldorfer Tabelle. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter erklärt aber, dass fehlende oder zu geringe Zahlungen nicht sofort zum Verlust vom Umgangsrecht führen.
Wie wichtig ist das Umgangsrecht für Kinder?
Die Auswirklungen, die Scheidungen auf Kinder haben können, sind mittlerweile gut untersucht. Es wird grundsätzlich angenommen, dass Scheidungen und damit möglicherweise eingehende Streitigkeiten um Unterhalt und Sorgerecht sehr belastend für Kinder sind. Außerdem wird häufig angenommen, dass der begrenzte Kontakt zu einem Elternteil – wie es beim Umgangsrecht meist der Fall ist – Kinder in ihrer Entwicklung beeinflusst.
Wie wirkt sich das Umgangsrecht auf das Kindeswohl aus?
Eine kleine Studie aus Norwegen hat die Auswirkungen von Scheidungen auf Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren untersucht. Ihre Eltern haben das Umgangsrecht nach dem sogenannten Wechselmodell gestaltet. Das heißt, dass die Betreuung zwischen den Eltern 50:50 aufgeteilt ist. Das Ergebnis: Kinder von Eltern, die das Umgangsrecht so umsetzen, haben weniger Verhaltensauffälligkeiten und psychische Probleme als Scheidungskinder, die hauptsächlich bei einem Elternteil leben.
Die Langzeitstudie „Familien in Entwicklung: Kinder und Jugendliche in Deutschland“ kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Demnach wäre auch ein anders geregeltes Umgangsrecht nicht sofort negativ zu sehen. Denn: Der entscheidende Faktor sei nicht die Häufigkeit der Besuche, sondern die Qualität der Beziehung zum getrennten Elternteil. Also können Kinder auch davon profitieren, wenn die im Umgangsrecht geregelten Besuche limitiert sind – solange eine gute Beziehung erhalten wird.
Wie wird das Umgangsrecht geregelt?
Im Falle von getrenntlebenden Eltern müssen Umgangsregelungen getroffen werden, in denen zum Beispiel geklärt wird, an welchen Tagen und wie lange der Umgang stattfindet. Eine solche Umgangsvereinigung kann auf verschiedene Weisen zustande kommen. Die Eltern können selbst oder in Zusammenarbeit mit einem Anwalt für Familienrecht versuchen, sich zu einigen.
Umgangsrecht: Jugendamt kann helfen
Eine außergerichtliche Einigung mithilfe des Jugendamtes ist auch möglich. „Wenn sich die Eltern nicht über eine Umgangsregelung einigen können, soll das Gericht nach Möglichkeit eine vollständig konkrete Regelung über den Umfang und die Ausübung des Umgangs treffen“ erklärt Franziska Hasselbach. Die Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht betont auch, dass das Kindeswohl immer im Vordergrund stehen muss.
Umgangsregelung: Tipps vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter
Weil die Rahmenbedingungen des Umgangs an die individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten der Eltern und Kinder angepasst werden müssen, gibt es keine einheitliche Vorlage für die perfekte Umgangsregelung. Experten für Familienrecht raten vor allem zerstrittenen Ehepartnern, genauere Regeln festzulegen. Nur so können Missverständnisse und Unstimmigkeiten, die das Umgangsrecht betreffen, verhindert werden.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter nennt unter anderem folgende Punkte, die angesprochen werden sollten:
- Wann, wie oft, und wie lange findet der jeweils Umgang statt?
- An welchem Ort findet der Umgang statt?
- Wer holt das Kind ab und wer bringt es wieder nach Hause?
- Bei wem verbringt das Kind die Ferien, Feiertage und Geburtstage?
- Können das Kind und das Elternteil mit Umgangsrecht durch Telefonate und Briefe in Kontakt bleiben?
Außerdem rät der Verband, die Regelung einmal im Jahr zu überprüfen. Denn mit dem Älterwerden des Kindes ändern sich auch die Bedürfnisse, zum Beispiel die erforderliche Dauer des Umgangs. Hier empfiehlt das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfahlen: „Sehr kleine Kinder brauchen einen häufigen Umgang mit dem Elternteil, bei dem sie nicht leben, da sie ein anderes Zeitempfinden haben als ältere Kinder.“
Kann das Umgangsrecht verweigert werden? Und wann?
Hat ein Elternteil das alleinige Sorgerecht, dann hat es auch das sogenannte Aufenthaltsbestimmungsrecht. Dieses Elternteil kann dann entscheiden, an welchen Orten und in welcher Wohnung das Kind dauernd oder auch vorübergehend sein darf.
Jedoch kann durch das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht das Umgangsrecht grundlos verweigert werden. Laut dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen ist das Elternteil mit Aufenthaltsbestimmungsrecht sogar dazu „verpflichtet, alles zu unterlassen, was den Umgang stören könnte, und darüber hinaus verpflichtet, die Durchführung des Umgangsrechts aktiv zu fördern.“
Nur in besonderen Fällen kann das Umgangsrecht entzogen werden. Das kann laut Hasselbach aber nur durch ein Gericht entschieden werden kann. Entzieht ein Elternteil dem anderen also ohne richterliche Erlaubnis das Umgangsrecht, kann ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht genommen werden. Außerdem können auch das Sorgerecht und der Unterhalt entzogen werden, wenn das Umgangsrecht mehrfach und dauerhaft gestört wird.
In dem Artikel „Wann darf die Mutter dem Vater das Umgangsrecht verweigern?“ nennt Hasselbach potenzielle Gründe, wieso ein Ausschluss vom Umgangsrecht beantragt werden kann:
- Körperliche Misshandlungen des Kindes oder des anderen Elternteiles
Hier reicht der alleinige Verdacht nicht aus. Hier entscheidet das Gericht fallabhängig. - Alkohol- und Drogensucht
Kann deshalb die passende Betreuung des Kindes nicht gesichert werden kann, kann das Umgangsrecht entzogen werden. - Auffälligkeiten des Kindes
Wenn das Kind durch das Verhalten der umgangsberechtigten Person bestimmte Auffälligkeiten entwickelt, kann ein Gericht das Umgangsrecht ausgeschlossen, eingeschränkt oder überwacht werden. - Wegen ansteckenden Krankheiten
Nur, wenn eine Ansteckung nicht vermeidbar ist, kann das Umgangsrecht zeitweise eingeschränkt werden. - Entführungsgefahr
Der Elternteil muss allerdings konkrete Beweise vorgelegen, dass eine dringliche Gefahr besteht.
Quellen
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Familienreport (2017) https://www.bmfsfj.de/familienreport-2017 (Letzter Abruf: April 2019)
- Bastian Hartmann: Unterhaltsansprüche und deren Wirklichkeit: wie groß ist das Problem nicht gezahlten Unterhalts? (2014) Auf: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. https://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.466463.de (Letzter Abruf: April 2019)
- Bergström Malin, et. al.: Preschool children living in joint physical custody arrangements show less psychological symptoms than those living mostly or only with one parent (2017) https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/apa.14004 (Letzter Abruf: April 2019)
- Prof. Dr. Sabine Walper: Worunter Scheidungskinder leiden – Familienentwicklung nach der Trennung (2004) https://www.uni-muenchen.de/informationen_fuer/presse/presseinformationen/2004/927.html (Letzter Abruf: April 2019)
- Franziska Hasselbach: Umgangsrecht: Eltern müssen Umgang fordern (2013) https://www.kanzlei-hasselbach.de/2013/umgangsrecht-eltern-muessen-umgang-foerdern/04/ (Letzter Aufruf: April 2019)
- Deutsche Liga für das Kind in Familie und Gesellschaft e.V., Deutscher Kinderschutzbund e.V., Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (Hg.): Wegweiser für den Umgang nach Trennung und Scheidung (2015) 12. Auflage Berlin, S. 25-53.
- Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfahlen: Umgangsrecht: Ein Überblick (2016) https://www.vaeter.nrw/umgangsrecht (Letzter Aufruf: April 2019)
- Franziska Hasselbach: Wann darf die Mutter dem Vater das Umgangsrecht verweigern? (2017) https://www.kanzlei-hasselbach.de/2017/umgangsrecht-verweigern/06/ (Letzter Aufruf: April 2019)