Die richtige Verhütung nach der Geburt – ein Gespräch mit Frauenärztin Dorothee Struck

vonMichaela Brehm | Redaktionsleitung
Paar hält Baby in den Armen
Hormonfreie Verhütung: Wie Paare das gemeinsam planen können
© Unsplash/ Dennis Acevedo

Sicher verhüten und das möglichst ohne Hormone: Das ist ein häufiger Wunsch vieler Frauen, nicht nur nach der Geburt. Die Gynäkologin Dorothee Struck hat ein Buch über natürliche Verhütungsmethoden geschrieben. Wir haben mit ihr gesprochen und gefragt, worauf es bei dem Thema wirklich ankommt.

Verhütung nach Schwangerschaft und Geburt

Mit der Geburt des Babys beginnt für Paare ein ganz neuer Abschnitt – meist auch in Sachen Verhütung. Nach der Geburt verzichten viele Frauen zunächst auf die Pille, vor allem wenn sie stillen möchten. Danach kehren einige wieder zurück zu hormonellen Präparaten, andere wollen weiterhin ohne Hormone verhüten. Es ist keine leichte Entscheidung, aber auf jeden Fall eine, die Paare gemeinsam treffen sollten.

Hallo:Eltern: Frau Struck, warum war es Ihnen wichtig, ein Buch über natürliche Verhütungsmethoden zu schreiben?

Dr. med. Dorothee Struck: Es ist eine schöne Entwicklung, dass das Thema natürliches Verhüten seit den letzten Jahren quasi wieder im Trend liegt. Frauen setzten sich wieder mehr damit auseinander, welche Alternativen es zu hormonellen Verhütungsmethoden gibt. Mein Ziel ist es, umfassend und vor allem genau dazu zu informieren. Ich finde, es fehlt ein sinnvolles Informationsangebot dazu beziehungsweise ist es oft zu lückenhaft.

Woran liegt das?

Wie immer, wenn etwas „Trend“ ist, steigt das Angebot in diesem Bereich. Seit den letzten Jahren gibt es zum Beispiel immer mehr Apps, die versprechen, dass man damit verhüten kann. Dahinter steckt oft ein richtig gutes Marketing. Da wird mit Influencern gearbeitet, die emotionale Stories erzählen, nur um das Produkt bekannt zu machen. Aber so einfach und sicher, wie es die Apps einem glauben machen, kann man damit nicht verhüten.

Die Methode, auf der viele diese Apps basieren, ist wissenschaftlich falsch. Entscheidend ist, die eigentliche Methode die dahinter steckt zu verstehen!

Das heißt, auch Sie schließen sich der Warnung des Berufsverbands der Frauenärzte e.V. an, solche Apps als sichere Verhütung vor Schwangerschaften nicht zu verwenden?

Ja, vor allem mit Blick auf die steigenden Abtreibungszahlen. Die Methode, auf der viele diese Apps basieren, ist wissenschaftlich falsch. Entscheidend ist, die eigentliche Methode die dahinter steckt zu verstehen! Und die ist gar nicht so kompliziert zu erlernen, wie das gerne dargestellt wird: NFP (Natürliche Methoden der Familienplanung, Anm.d.Red.) ist keine Raketenwissenschaft!

Eine Schwangerschaft markiert für Frauen einen Wendepunkt im Leben. Da kommen natürlich auch Fragen, wie man in Sachen Verhütung nach der Geburt weitermachen will.

Meine erste Frage an Frauen nach der Geburt ist, wie ihre weitere Lebensplanung aussieht. Wie viel Abstand sollte zwischen den Kindern liegen? Auch danach entscheidet sich, zu welchen Verhütungsmethoden ich rate. Eher langfristig Wirksames wie Spiralen, oder Barrieremethoden in Kombination mit NFP oder auch hormonelle Verhütungsmethoden, die Frauen unter Umständen einfach die gewohnte Sicherheit geben, nicht gleich wieder schwanger zu werden, aber auch schnell wieder abzusetzen sind.

Die Pille und Stillen schließt sich also nicht aus?

Nein. Allerdings sollten Frauen die stillen östrogenfreie Präparate nehmen. Zum eine  gelangen dann nur minimale Spuren eines synthetischen Hormons in die Muttermilch, zum anderen mindern syntethische Östrogene die Michproduktion. In den 50er Jahren wurden Östrogene sogar zum Abstillen benutzt. Daher ist von Kombinationspillen mit Östrogen und Gestagen ist abzuraten, denn das Kind wird unter Umständen nicht mehr wirklich satt. Ich kenne auch Fälle, bei denen das Kind dann sogar die Brust verweigert hat.

Ist mit der Geburt des ersten Kindes also doch der richtige Zeitpunkt gekommen, sich mit NFP auseinanderzusetzen?

Ja und nein. Zwar ist es grundsätzlich nicht schwer die Methode zu erlernen, allerdings erfordert es natürlich vor allem Zeit sich damit sorgfältig auseinanderzusetzen. Und die hat man mit einem Baby eher selten. Gerade beim ersten Kind ist so viel neu und man hat so viel anderes im Kopf. Daher rate ich meinen Patientinnen, die Schwangerschaft für die Vorbereitung zu nutzen. Dabei betone ich jedoch immer, dass in der Stillzeit andere Regeln gelten als sonst bei NFP.

Gerade beim ersten Kind ist so viel neu und man hat so viel anderes im Kopf. Daher rate ich meinen Patientinnen, die Schwangerschaft für die Vorbereitung zu nutzen.

Können Sie das genauer erklären?

In der Stillzeit ist der Zyklus natürlich unzuverlässiger als normal und es ist von Frau zu Frau sehr verschieden, wann er sich wieder einpendelt. Du musst also zunächst das sogenannte Grundmuster der Unfruchtbarkeit nach der Geburt herausfinden. Dabei wird mehr Augenmerk auf die Beschaffenheit des Zervixschleimes und des Muttermunds gelegt werdendiese Veränderungen zu spüren, erfordert natürlich Übung. Ab dem Zeitpunkt, an dem sich dieses Muster ändert, ist Fruchtbarkeit anzunehmen. Die Temperaturmessung der Basaltemperatur kommt danach ins Spiel um nachzuweisen, wann der Eisprung tatsächlich stattgefunden hat, hier gilt die 4 über 6 Sonderregel.

Sie haben es gerade angesprochen: Das Milchbildungshormon Prolaktin hemmt den Eisprung. Ist es also richtig, dass man während der Stillzeit gar nicht schwanger werden kann?

Ja, diese Methode nennt sich Laktationsamenorröh-Methode. Allerdings gilt das nur, wenn du seit der Geburt ausschließlich und voll stillst mit mindestens sechs Brustmahlzeiten und noch keine Regel aufgetreten ist. Diese Methode gilt im ersten halben Jahr nach der Geburt als 98 Prozent sicher. Im folgenden halben Jahr beträgt die Sicherheit 92 Prozent solange keine Menstruation kommt. Mit der Beikosteinführung, also dann, wenn die Milchmalzeiten nach und nach ersetzt werden, funktioniert diese Methode nicht mehr zuverlässig.

Ihre persönliche Meinung als Ärztin: Zu welcher Verhütungsmethode raten Sie Müttern nach der Geburt?

Ich persönlich finde es schade, dass das Diaphragma immer noch ein Schattendasein führt. Ist es individuell angepasst, ist es nicht oder nur kaum zu spüren, weder für die Frau noch für den Partner. Zudem ermöglicht es den direkten Hautkontakt von Scheide und Penis, das ist natürlich ein viel schöneres Erlebnis als mit Kondom. In Kombination mit der symptothermalen Methode nach Sensiplan®* ist es eine ideale und sichere Verhütungsmethode ganz ohne Hormone. Das war mir auch wichtig für mein Buch: Oft wird im Zusammenhang mit NFP von Enthaltsamkeit gesprochen. Dabei ist das gar nicht notwendig, wenn zusätzlich Barrieremethoden wie ein Diaphragma oder ein Kondom eingesetzt werden. Denn auch so kann natürliche Verhütung gehen.

*Anm.d.Red.: Sensiplan® ist eine eingetragene Handelsmarke der Arbeitsgruppe NFP, die 1981 gegründet wurde. Neben allgemeinen Fruchtbarkeitsbeobachtung wie Basaltemperatur- und Muttermund-Veränderungen, Zervixschleim sowie Blutungsmustern, wird bei der NFP nach Sensiplan® auch eine intensive Körperwahrnehmung berücksichtigt. Dazu gehört zum Beispiel auch Mittelschmerz und Brustsymptom als sekundäre aber nicht sichere Zeichen.

Buchcover: Natürlich Verhüten

© GU Verlag

Zur Person:

Dr. med. Dorothee Struck ist Gynäkologin in Kiel. Seit über 13 Jahren hat sie dort eine eigene Praxis. Zuvor hat sie lange Jahre in der Geburtshilfe im Krankenhaus gearbeitet. Sie sagt, sie genieße es jetzt aber, ihre Patientinnen über einen längeren Zeitraum zu betreuen – vom Kinderwunsch, bis zur Nachsorge und weit darüber hinaus. Struck ist Mitglied der Europäischen Verhütungsgesellschaft und selbst überzeugte Anwenderin der natürlichen Verhütung. Im Februar 2019 ist ihr Ratgeberbuch „Natürlich Verhüten – sicher, pillenfrei, gefühlsecht“ im GU Verlag erschienen (ca. 15 Euro). Darin erklärt sie die Methoden der Natürlichen Familienplanung und der weiblichen Barrieremethoden so, dass frau sie direkt erlernen und anwenden kann. Der Ratgeber zeigt zudem, wie die Methoden kombiniert werden können, um die Verhütungssicherheit zu erhöhen.