Was Freundschaften unsere Kinder fürs Leben lehren

Symbilbild: Kinder kuscheln zusammen
Vom Kindergarten an, ein Leben lang?
© Pexels / Artem Podrez

In vielen Situationen mit Kindern stehen wir Eltern vor großen Themen in kleinen Zusammenhängen. So geht es mir, wenn ich mir die Freundschaften meiner Kinder anschaue. Auf den ersten Blick wirken die Themen hier banal und klein, doch in Wahrheit liegen große Themen in dieser kleineren Welt unserer Kinder. Ob es der Streit ist, bei dem beide nicht ihren Stolz überwinden können oder die Schulwahl, die man zu gerne von den Freunden abhängig machen möchte – das sind entscheidende Lernsituationen für unsere Kinder mit Konflikten, die auch wir in unserem „erwachsenen“ Alltag noch haben.

Der erste Streit

Meine jüngste Tochter hat seit ihrem ersten Krippentag eine Freundin und es war in den letzten fast vier Jahren konstant eng und sehr liebevoll zwischen den Beiden. Der Mittagsschlaf nebeneinander, selbstgemalte Bilder im Briefkasten oder kleine Videobotschaften über längere Ferienzeiten – die beiden hingen sehr aneinander. Gemeinsam kamen sie in die Kindergartengruppe und verbrachten auch hier die Tage am liebsten vertieft im Spiel zu zweit. Plötzlich wollte meine Tochter jedoch nicht mehr in den Kindergarten gehen und ein paar Tage später sprach mich die Mutter der Freundin an, ob meine Tochter etwas erzählt habe. Irgendwie hätten die beiden sich gestritten.

Meine Tochter war eher zurückhaltend in ihren Erzählungen, irgendwie hätten sie Streit gehabt und ihre Freundin wollte die ganze letzte Woche nicht mehr mit ihr spielen. Stattdessen spiele ihre Freundin allein und meine Tochter eben dann auch. Oder wie sie es sagte: „Ich gehe dann immer in den Wald und weine ein bisschen.“ Eine der Erzieherin ergänzte jedoch, dass sie nach einer Weile durchaus ins Spielen käme und sich auch teilweise den Spielen von anderen Kindern anschließen würde.

Stolz und Vorurteil

In der zweiten Woche ihres Streits tanzten die beiden Mädchen umeinander rum. Meine Tochter fragte, ihre Freundin verneinte, um dann etwas später ein Spielangebot zu machen, was dann meine Tochter ablehnte. Es war ein bisschen wie Stolz und Vorurteil und beide Mädchen litten unter der Situation. Sie sprachen beide wenig, aßen etwas weniger als sonst und meine Tochter hatte schreckliche Wutanfälle vor lauter Kummer und nicht wissen, wohin mit sich und den ganzen Gefühlen. Wir Mütter sprachen miteinander und waren doch beide hilflos, weil sie aus dieser Klemme leider selbst herauskommen mussten. Wir konnten nur zuhören und positiv über die Freundin sprechen.

Als dann meine Tochter mit einem anderen Mädchen verabredet war, machte ihre Freundin mit einem Mal den ersten Schritt auf sie zu. Und plötzlich war es fast wie immer zwischen den beiden. Sie haben sich ein bisschen aus ihrer vorher sehr engen Freundeswelt gelöst, aber sie spielen wieder miteinander und der Herzschmerz ist vorbei.

Schulwahl – Welche Kriterien gelten?

Doch auch später ist das manches Mal nicht so einfach mit dem Miteinander und dem Abwägen. Bei meinem zweiten Sohn steht gerade der Schulwechsel an und die Schulwahl ist in unserem Wohnort minimal kompliziert. Sohn 2 ist eher vorsichtig und braucht sozial sehr lange, um sich wohlzufühlen. Bisher ist er zudem immer seinem Bruder gefolgt und hat hierdurch Sicherheit gewonnen. Wir haben uns viel darüber unterhalten, was jetzt für ihn sinnvoll ist. Wir waren beim Tag der offenen Tür an verschiedenen Schulen. Sohn 2 hat sich die verschiedenen Info-Videos der Schulen auf den Internetseiten angeschaut und für sich eine Liste gemacht, was ihm wo gut gefällt. Wir haben gemeinsam abgewogen, was für ihn wichtig ist und was passen könnte.

Zwangsläufig landeten wir hier beim Thema Freundschaften. Klar verabredet er sich mit einigen Jungen aus seiner Klasse. Allerdings schwankt das sehr und es gibt nicht den einen, mit dem es ganz eng wäre. Oder eine kleine Gruppe, die alles ganz begeistert miteinander täten. Wenn es so wäre, wäre es mir vermutlich schwerer gefallen, ihm dazu zu raten, auf sich zu schauen. Doch bei dieser Frage sind wir am Ende gelandet: Richtet sich meine Entscheidung nach sozialer Sicherheit oder gehe ich hier für den Moment ein Risiko ein, um am Ende für mich eine gute Chance zu ergreifen? Die meisten Jungen aus seiner Klasse gehen auf die Schule, auf der auch sein Bruder ist. Sie ist nah und eine große Ganztagsschule, an der alle Schulabschlüsse möglich sind. Für diesen eher ruhigen Jungen eher ein Ort, an dem er vermutlich in sich verschwindet. Da er außerdem gerne selbst-strukturiert arbeitet und sein eigenes Tempo hierbei hat, ist die Struktur einer Ganztagsschule für ihn teilweise schwierig.

Auf die eigenen Bedürfnisse schauen

Dann gab es die eine Schule, an der er sich am Tag der offenen Tür spätestens nach dem Matheraum richtig wohlgefühlt hat. Diese Schule hat für ihn einen passenden Schwerpunkt, viele Angebote, ist ein bisschen kleiner und hat keinen Ganztag. Aber diese Schule hat keines der Kinder gewählt, mit denen er sonst etwas zu tun hat. Am Ende hat er sich für diese Schule entschieden und ich bin mir sicher, dass er hier in seinem Tempo sozialen Anschluss findet und mit Sicherheit das ein oder andere bekannte Gesicht vom Schulhof auftaucht. Aber für später ist es für ihn wichtig, bei derartigen Entscheidungen abzuwägen und sich und die eigenen langfristigen Ziele in den Fokus zu stellen. Hierbei können wir Eltern immer nur begleiten und auf die Entscheidungen unserer Kinder vertrauen.

Hätte mein Sohn die andere Schule gewählt, hätte ich mir vermutlich Sorgen gemacht. Aber die Erfahrung hätte ich ihm nicht nehmen können. Ebenso wenig die Erfahrung, dass wir Entscheidungen in unserem Leben revidieren können und diese Umwege uns oft wichtiges beibringen.

Freunde kommen – manche bleiben und andere gehen. Wie es das schöne Sprichwort sagt: Manche Menschen kommen in unser Leben aus einem Grund, andere für einen Moment und einige für ein Leben. Diese Unterschiede zu verstehen und manches Mal auszuhalten, ist wichtig.