Was macht eine Frau zur Mama?

Mama mit Baby
© Unsplash/ Andriyko Podilnyk

Eine Freundin von mir konnte ihr Baby nicht selbst auf die Welt bringen und stellte mir die Frage, ob nicht erst die Geburt eine Frau wirklich zur Mutter machen würde. Eine Frage, die ich mir bis dahin schlicht nie gestellt habe. Aber was macht uns am Ende zur Mama? Ist es tatsächlich ein Erlebnis oder nicht vielmehr ein Prozess voller Entscheidungen?

In der Wissenschaft wird unterschieden zwischen der biologischen und der rechtlichen Mutter sowohl als auch der Mutter im sozialen und psychologischen Sinne.

Dann gibt es noch den Mythos um die Mutterschaft, der gerade in Deutschland sehr hoch ist. Im Wörterbuch steht als Definition für Mutter an erster Stelle:

Frau, die ein oder mehrere Kinder geboren hat.

Erst an zweiter Stelle folgt:

Frau, die in der Rolle einer Mutter ein oder mehrere Kinder versorgt, erzieht

Warum ist uns dieser Unterschied so wichtig? Warum hat das biologische Band für uns gesellschaftlich offensichtlich eine so viel höhere Relevanz als das Band, was mit der gemeinsamen Zeit wächst?

Ein Weg des Zusammenwachsens

Natürlich kann in der Schwangerschaft ein erstes Band entstehen – eine Garantie dafür gibt es jedoch nicht. Mein Auftakt ins Mamawerden war eine Fehlgeburt, die über vier Jahre eine riesige Sehnsucht und das irrationale Gefühl des Versagens in mir hinterlassen hat. Danach hatte ich viermal unverschämtes Glück. Und so sehr die Geburten meiner Kinder jede für sich ein einschneidendes Ereignis gewesen ist und mich und mein Verständnis verändert haben – zur Mama haben sie mich auf einer tieferen Ebene nicht gemacht.

Elternwerden war und ist für mich ein Weg des Zusammenwachsens. Ich glaube, es ist die Liebe und die Bereitschaft, sich auf dieses andere Lebewesen, ohne Wenn und Aber einzulassen, die uns zu Eltern macht. Dafür braucht es keine genetische Verwandtschaft und weder die Erfahrung einer Schwangerschaft noch die einer Geburt.

Hineinfinden in neue Aufgabe

Mit der Geburt meines ersten Sohnes habe ich mich nicht automatisch als Mama gefühlt. Ich hatte sogar große Schwierigkeiten damit, in diese neue Rolle hineinzufinden. Auf dem Weg aus dem Krankenhaus mit diesem kleinen Bündel kam es mir absurd vor, dass ich diese Verantwortung tragen sollte. Ich hatte riesige Angst zu versagen und durch Dummheit, mangelnde Erfahrung und zu wenig Weitblick etwas unwiederbringlich zu zerstören. Meinem Bauchgefühl zu vertrauen und mich zu entspannen, musste und muss ich oft genug noch lernen. Meine und die Grenzen meines Kindes zu verteidigen, ist ein weiterer Lernschritt.

Langsam, mit jedem engen Kontakt, jeder überstandenen Krankheit, jedem richtig verstandenen Weinen, den tausend Blicken, den unzähligen Worten (ausgesprochen und unausgesprochenen) und dem gemeinsamen Lachen bin ich zur Mama geworden und habe mich in dieser neuen Rolle in meinem Leben eingerichtet, so dass sie zu mir und meinen Fähigkeiten passt.

Authentische Elternschaft

Es gibt keine Mama von der Stange. Nichts, was eine Mama auf jeden Fall tun muss, mit Ausnahme von der bedingungslosen Liebe. Ob man seinem Kind seine Liebe zur Struktur vermittelt oder seine Liebe zum kreativen Chaos, mit ihm backt oder matscht, hingebungsvoll bastelt oder sich laut austobt oder von allem ein bisschen – nichts davon muss, aber alles kann.

Je nachdem, was die Mama als Mensch mitbringt. Denn wenn ich etwas wirklich aufrichtig glaube, dann ist es: Elternschaft funktioniert nur authentisch. Wenn wir zu viel überlegen und konstruieren, wird das ein verkrampftes und schreckliches Projekt statt einer Beziehung. Damit meine ich nicht, dass man sich nicht entwickeln sollte. Aber man sollte ehrlich mit seinen Stärken und Schwächen umgehen und auch ehrlich sagen, wenn einem etwas einfach keinen Spaß bringt. Deswegen ist man keineswegs weniger Mama, sondern schlicht ein ehrliches Gegenüber für sein Kind, was hierdurch lernt: Ich darf etwas nicht gut finden und nicht machen. Das macht Mama nämlich auch.

Warum wollen wir unterscheiden?

Eine der wundervollsten Mütter, die ich kennengelernt habe, hat ihre Kinder adoptiert. Selten habe ich jemanden so ruhig und liebevoll mit seinen Kindern erlebt und so bereit dazu, jeden Spagat mit ihnen mitzugehen. In jeder noch so schwierigen Abholsituation mit zwei Kindern blieb sie ruhig und gelassen. Als ich sie darauf einmal ansprach, sagte sie lachend, dass sie in einem Seminar mit Spielen vorbereitet wurden auf den Alltag mit Kindern. Dass ihnen immer wieder erklärt wurde, wie anstrengend und fordernd das sei und sie hinterher eher positiv überrascht gewesen sei. So ein Seminar wäre vielleicht für alle gut, damit der Realitätsschock abgemildert wird.

Die dummen Sprüche und Unterscheidungen gab es aber auch für diese wunderbare Mutter. Es gab andere Mütter im Kindergarten, die vor ihren Kindern betont haben, dass die Kinder adoptiert seien. Und es gab Reaktionen in der Familie, wo unterschieden wurde zwischen „diesen“ Kindern und den „biologischen“ Kindern. Hier bleibt doch aber die Frage: Warum?

Warum ist es wichtig, wie ein Kind zu seinen Eltern kommt, solange diese es lieben und bereit sind, es bedingungslos auf seinem Weg zu begleiten? Wieso ist es uns noch immer wichtig, die biologische Elternschaft zu betonen? Die wahre Herausforderung von Elternschaft liegt doch auf der psychologischen und sozialen Ebene. Jeder, der die durchwachten Nächte mitmacht, die Sorgen im Alltag hat, tröstet, bereitsteht, beobachtet und auf die feinen Zwischentöne im Alltag achtet, Sparringpartner in der Entwicklung ist, ist doch ein Elternteil – hierbei gibt es nicht Eltern erster und zweiter Güte.