Mehr Wohnzimmer – weniger Indoorspielplatz
Es wird endlich wieder ein richtiges Wohnzimmer und nicht mehr ein halber Indoorspielplatz mit Rody (dem nicht klar definierbaren Hüpftier), dem Puppenwagen, der Hüpfmatte, dem Wiegebrett, den Bastelsachen, ein bisschen Lego, Knete und natürlich den vielen bunten Büchern. So lautete mein wiederkehrendes Mantra in den letzten Jahren, wann immer ich gefühlte Stunden alles im Wohnzimmer einsortierte, damit ich mich dort gefahrenlos bewegen (wer einmal barfuß auf Lego oder Schleich getreten ist, versteht das) und die Tische auch nutzen konnte.
Eines Tages ist dieser Raum im Haus spielzeugfrei und man wird freie Flächen sehen, war meine Überzeugung ohne wirkliche Hoffnung. Jetzt scheint dieser Moment zum Greifen nah: Kind 4 ist ein Vorschulkind und fiebert ihrer Einschulung entgegen. In diesem Moment erwischt mich die Traurigkeit etwas unerwartet.
Weltentdeckerphase mit Kuscheln
Mein Blick geht jetzt zu den Regalen und den Kisten und mit einem Mal verpufft meine Energie. Stattdessen ist dort eine leise Wehmut, weil dieser Abschnitt in meinem Leben vorbei ist. Wünsche ich mir die verstreuten Legosteine oder die Knete-Explosionen zurück? Nein, sooo weit würde ich selbst im emotionalsten Zustand nicht gehen. Aber vielleicht manchmal das sehr miteinander verbundene und eingekuschelte aus dieser ersten Zeit.
Auch heute fühle ich mich mit meinen Kindern sehr verbunden und natürlich brauchen sie mich noch. Zudem kann ich es genießen wieder mehr Raum für mich zu haben, ins Fitnessstudio zu gehen und in die Sauna, Freundschaften zu pflegen und manchmal Nachmittage allein im Wohnzimmer zu verbringen. Aber diese erste Weltentdeckerphase mit der körperlichen Nähe und dieser unendlichen Freude ist sehr besonders. Bedauerlicherweise ist sie oft auch sehr belastet von Druck von innen und von außen und lässt sich dadurch an einigen Stellen weniger genießen.
Die kleinen Boxen
Bei jedem Kind habe ich ein Outfit aus der ersten Babyzeit behalten. Auch der ein oder andere erste Schuh bleibt im Haus. Ich weiß, dass das sentimental ist und keinen Sinn ergibt, aber ich hänge dran. Es sind kleine Boxen mit diesen Sachen. Die Ultraschallbilder habe ich auch aufgehoben und die kleinen Armbänder, die sie nach der Geburt im Krankenhaus um das Minihandgelenk bekommen haben. Bei Kind 4 waren die Hebammen sich einig und haben statt des Nachnamens den Vornamen genommen – schließlich gab es ja schon mehrere Armbändchen und so ließe es sich im Nachhinein auseinanderhalten.
Jedes Kind hat ein Kuscheltier von uns zur Geburt bekommen und auch wenn diese das Zimmer verlassen müssen, weil es eben nicht mehr cool ist, bleiben sie im Haus. Aber was mache ich nun mit den Spielzeugen und Büchern? Mit einem Mal habe ich ein anderes Verständnis für vollgestopfte Dachböden – es ist das Nicht-Loslassen-Wollen oder -Können, was aus diesen Boxen ruft.
Geliebte Bücher
Es fällt mir gar nicht schwer, die Wimmelbücher, die Suchbücher und die Bildwortbücher dauerhaft aus meinen Regalen zu entfernen. Aber was ist mit geliebten Buchreihen wie Pip & Posy oder dem Grüffelo, Räuber Ratte oder Stockmann? Und ja, mir fällt der Axel-Scheffler-Schwerpunkt an dieser Stelle auf… Aber seine Bilder – meistens in der Kombination mit Julia Donaldsons Texten – haben mir eine Phase mit täglichem Vorlesen sehr versüßt. Andere Bücher wie Grünes Ei mit Speck, Der Grinch oder Es klopft bei Wanja in der Nacht muss ich noch nicht aussortieren, weil die auch bei Vorschulkindern und Neu-Lesern durch ihre Sprachmelodie schön sind.
Auch die Astrid-Lindgren-Bücher gehen noch und vielleicht lasse ich manche später einfach in meinem Regal stehen. Weil ich sie liebe und sie für mich mit dieser besonderen und nahen Phase verbunden sind. Eine Phase, die mir manches Mal die Luft zum Atmen abgeschnürt hat und in der ich mich von der 24-stündigen Bereitschaft oft genug heillos überfordert habe. Und trotzdem hat mich diese Phase sehr geprägt und mich durch die Nähe zu meinen Kindern viel näher an mich und meine Emotionen herangeführt.
Ein Leben nach Obstgarten
Bei den Bastelsachen fällt mir das Aussortieren hingegen kaum schwer. Bestimmte Sachen bleiben, aber einige gehen jetzt eben auch und ich bin nicht böse darüber. Ich bin kein großer Bastelfan, auch wenn es als gemeinsame Beschäftigung den ein oder anderen Nachmittag bei uns gerettet hat.
Auch das ein oder andere Spiel verlässt unsere Sammlung und ich werde garantiert im Leben niemals den Obstgarten vermissen. So wunderbar ich theoretisch die Idee dieses Spiels finde, ich will es die nächsten zwei Jahrzehnte bitte nicht mehr spielen müssen.
Zudem gibt es auch Vorteile ohne krabbelnde und schwankende Welteroberer im Wohnzimmer: Zerbrechliche Gegenstände und echte Kerzen können mit einem Mal wieder unten stehen. Meine liebsten und schönsten Bücher können griffbereit aufbewahrt werden, weil ich um die Einbände keine Sorgen haben muss.
Verbundenheit bleibt
Wenn ich jetzt mit diesen neuen Möglichkeiten im Kopf auf dem Sofa sitze, spüre ich durchaus Vorfreude auf den neuen Raum mit mehr Platz. Und wenn unser Haus in den Ferien magisch auf die Quadratmeter des Wohnzimmers zusammenschrumpft und alle nur noch hier sind, ist es noch immer sehr kuschelig und verbunden. Denn die Verbindung bleibt doch und hierfür braucht es vielleicht nicht einmal die Boxen, sondern ein offenes Ohr und Interesse an den Ideen der größer werdenden Kinder. Zur Sicherheit behalte ich die Babysachen und die ein oder anderen Sachen aber doch noch – vielleicht trösten sie mich manchmal in den kratzigen Teenagerjahren.