Der richtige Zeitpunkt für ein Kind? Das ist keine Frage des Alters

vonMichaela Brehm | Redaktionsleitung
Junge Frau hält Kaffeetasse mit dem Schriftzug "do it anyway"
Wann du Kinder bekommst, bestimmst du nicht wirklich selbst
© Unsplash/ CoWomen

Es geht nicht darum, ob du noch zu jung oder eigentlich schon zu alt bist: So lange sich gesellschaftlich nicht grundlegend etwas ändert, ist nie der richtige Zeitpunkt für ein Kind. Denn der Kinderwunsch konkurriert bei Frauen immer häufiger mit ihrer Berufslust. Eine unnötige Verschwendung, findet unsere Autorin Michaela.

Freiheiten optimal nutzen – vor allem beruflich

Frauen werden später Mütter als früher. Statistisch gesehen bekommen Frauen in Deutschland ihr erstes Kind mit 30 Jahren. In den 80er Jahren lag dieses Alter im Schnitt noch bei Mitte 20. Hausfrau und Mutter, damals ein gängiger Lebensentwurf, meist ohne echte Alternative. Heute ist das gesellschaftliche Frauenbild, das eigene Selbstverständnis und damit auch die Erwartungshaltung an sich selbst eine andere. Es geht darum, seine Freiheiten optimal zu nutzen – privat aber vor allem auch beruflich.

Das bedeutet aber auch, der Wunsch, sich beruflich verwirklichen zu wollen, wird immer in Konkurrenz mit dem Kinderwunsch stehen. Also wird er meist erstmal aufgeschoben, bis sich beide Wünsche irgendwie besser vereinbaren lassen. Und eben darauf lässt sich lange warten.

Vereinbarkeit sollte nicht „in Teilzeit“ bedeuten

Denn vereinbar – also der Wortbedeutung nach harmonisierend aufeinander abgestimmt – sind das berufliche Leben und das Familienleben von Frauen in unserer Gesellschaft einfach in den seltensten Fällen, vor allem nicht mit einem klassischen 40-Stunden-Job. Unterm Strich bestimmen also nach wie vor gesellschaftliche Strukturen unsere Familienplanung.

Und so ist letztendlich der richtige Zeitpunkt für ein Kind meist erst dann gekommen, wenn du als Frau bereit bist, einen Teil von dir wieder aufzugeben. Denn in der Praxis sieht Vereinbarkeit immer noch so aus, dass es meist die Frauen sind, die sich dafür entscheiden, zu Hause bei den Kindern zu bleiben und sich vorerst ganz aus ihrem beruflichen Leben zurückzuziehen und später wieder „in Teilzeit“ einsteigen.

„Frauen hängen viel zu oft in der Teilzeitfalle fest“

Dieses nach wie vor gängige Teilzeit-Modell hält Susann Hoffmann, Mitgründerin von EDITION F, für eines der Hauptprobleme von Müttern: „Frauen hängen viel zu oft in der Teilzeitfalle fest“. Selten fehle es Müttern an der Bereitschaft zu arbeiten, die Voraussetzungen seien einfach falsch, meint Hoffmann. Es brauche mehr flexiblere Arbeitsmodelle, die für Mütter eine echte Alternative zur „Teilzeit“ seien: Heimarbeitsplätze zum Beispiel und individuellere Arbeitszeiten. Doch das einzufordern, sei ein harter Kampf. Sie selbst habe ihn nach der Geburt ihres Kindes fechten müssen, gesteht Hoffmann offen in einem Vortrag beim Medela Milchcafé in München. Obwohl EDITION F gelebtes Female Empowerment ist, sei sie auch bei ihren Kolleginnen und Kollegen zunächst auf Unverständnis gestoßen. Dass sie jetzt mit Kind nicht mehr bereit gewesen sei, genauso weiter zu machen wie zuvor, sei Anlass für viele Diskussionen gewesen. Inzwischen akzeptiere jeder, dass sie mehrmals die Woche am frühen Nachmittag den Stift fallen lasse, um ihren Sohn rechtzeitig von der Kita abzuholen. Weitere berufliche To-Dos erledige sie flexibel von zu Hause aus, dann, wenn Zeit dafür sei.

Das nächste Problem: Wenn die Kinderbetreuung für die Zeit, in der Mama arbeiten geht, teurer ist, als ihr Verdienst, wird die ganze Diskussion erneut ad absurdum geführt. Denn ohne sinnvolle Betreuungsmöglichkeiten ist ein Wiedereinstieg schlicht nicht möglich. Und „Hausfrau und Mutter“ wird dann doch wieder zu einer nicht ganz so freiwilligen Entscheidung.

„Die Entscheidung für ein Kind sollte nie die Entscheidung gegen etwas anderes sein!“, bringt es Hoffmann auf den Punkt. Doch damit sich das tatsächlich realisieren lässt, muss sich gesellschaftlich noch Einiges ändern. Ein 9-to-5-Job oder Teilzeitbeschäftigung dürfen nicht die einzigen Alternativen für Mütter sein. Zudem braucht es mehr bezahlbare Betreuungsplätze – und zwar flächendeckend.

„Working mom“ ohne schlechtes Gewissen

Darum ist es so wichtig, dass sich Mütter wie Hoffmann für ein Umdenken einsetzen. Ohne konkrete Forderungen zu stellen, wird sich nichts oder nur zu langsam etwas ändern. Fakt ist, die Hochphase der weiblichen Fruchtbarkeit fällt nun mal in der Regel mit dem beruflichen Zeitraum zusammen, in dem man die Weichen für seine berufliche Karriere setzt. Beides nicht sinnvoll vereinbaren zu können, ist im Grunde Verschwendung. Hoffmann: „Was die Meisten vergessen: Kinder sind das größte Invest in die Zukunft“. Und das muss wieder in den Köpfen aller ankommen.


*Das Medela Milchcafè findet in insgesamt drei Städten für jeweils drei Tage statt. Auftakt war vom 16. Oktober bis zum 18. Oktober in Berlin, anschließend ging es am 23. Oktober in München weiter und läuft hier noch bis zum 25. Oktober.

Wer die Möglichkeit hat, der sollte am 29., 30. oder 31. Oktober in Hamburg vorbei schauen. Dann unter anderem mit Nina Kämpf von dem Blog mamaaempf.com.