IGLU-Studie testet alle 5 Jahre Lesekompetenz
Internationale Grundschul-Leseuntersuchung oder kurz: IGLU. Seit 2001 ermittelt die TU Dortmund im Rahmen einer Untersuchung an hunderten Grundschulen in Deutschland, wie gut Viertklässlerinnen und Viertklässler lesen können. Entstanden als Reaktion auf den „PISA-Schock“ 2000, spiegelt sie seitdem alle 5 Jahre das Leistungsniveau in einer der wichtigsten Kompetenzen überhaupt wider.
Seit 2006 nimmt Lesekompetenz der Viertklässler ab
Die aktuelle IGLU-Studie, die 2021 durchgeführt wurde, liefert allerdings erschreckende Ergebnisse:
Die mittlere Lesekompetenz der Viertklässler liegt international mit 524 Punkten zwar im Mittelfeld. Doch der Wert ist deutlich gesunken – 2016 lag er noch bei 537 Punkten, 2011 bei 541 und 2006 sogar bei 548 Punkten.
Zwar hat sich bei sehr vielen Ländern der Wert in den vergangenen Jahren verschlechtert, doch gibt es international eben auch Gewinner: in Europa können etwa in Italien, Bulgarien, Polen oder England die Viertklässler teils deutlich besser lesen als bei uns. Spitzenreiter im Ranking sind Singapur mit 587 und Hongkong mit 573 Punkten.
Corona ist nicht der alleinige Grund
Ist an dem Leistungsabfall nur die Corona-Pandemie schuld? Nele McElvany, wissenschaftliche Leiterin der IGLU-Studie 2021, sagt dazu:
„Die pandemiebedingten Beeinträchtigungen und die sich verändernde Schülerschaft erklären nur einen Teil dieses Leistungsabfalls. Es muss klar festgehalten werden, dass der Trend absinkender Schülerleistungen bereits seit 2006 besteht und die problematische Entwicklung in unserem Bildungssystem in den letzten Jahren durch diese Aspekte nur verstärkt wurde.“
Weitere Ergebnisse der Studie, die nachdenklich stimmen:
- Der Unterschied zwischen guten und schwachen Lesenden ist in Deutschland seit 2001 größer geworden
- Der Anteil der guten bis sehr guten lesenden Viertklässlern ist in diesem Zeitraum von 47 Prozent auf 39 Prozent gesunken
- Gleichzeitig stieg der Anteil derer, die nicht die mittlere Kompetenzstufe III erreichen, deutlich an: jeder vierte Viertklässler erreicht nicht das Mindestniveau
Zudem sind in Deutschland die sozialen Unterschiede weiterhin groß. Kinder aus Arbeiterfamilien haben eine 2,5fach geringere Chance auf eine Gymnasialempfehlung als Kinder aus Akademikerfamilien.
Wird in den Grundschulen zu wenig gelesen?
Die Viertklässlerinnen und Viertklässler tun sich also immer schwerer mit dem Lesen. Aber warum? Auf der Suche nach Gründen kann, wie gesagt, die Corona-Pandemie nur zum Teil als Grund herangezogen werden. Im Gespräch mit Tagesschau24 weist Nele McElvany auch noch auf die veränderte Zusammensetzung der Schülerschaft hin: immer mehr Grundschüler sprechen zu Hause nicht Deutsch und brauchen besondere Förderung. Auch wird in Deutschland im Unterricht weniger gelesen als in anderen Ländern: während im internationalen Durchschnitt etwa 200 Minuten pro Woche für Leseaktivitäten verwendet werden, sind es in Deutschland nur 141.
„Es hat in den vergangenen 20 Jahren zwar schon zahlreiche Bemühungen gegeben, doch zeigt die neueste Studie, dass die gewünschten Wirkungen in weiten Teilen ausgeblieben sind“, hält McElveny fest. Sie fordert, dass das Bildungssystem einen weitaus größeren Wert darauf legt, die Lesekompetenz jedes einzelnen Kindes frühzeitig zu fördern.
So können Eltern die Lesekompetenz ihrer Kinder fördern
Viele Eltern, die durch diese Ergebnisse aufgeschreckt werden, fragen sich nun vielleicht, wie sie selbst dazu beitragen können, dass ihr Kind schnell und gut lesen lernt.
Folgende Tipps können helfen, kleine Kindern früh zu Leseratten zu machen:
- Eine gemütliche Leseecke einrichten: Kinder werden viel eher ein Buch aufschlagen, wenn sie einen gemütlichen und einladenden Ort dafür haben
- Sich Zeit nehmen und gemeinsam lesen: gerade am Anfang kann das Lesen von Geschichten für Kinder noch sehr anstrengend und damit demotivierend sein. Wenn sich Eltern und Kind jeweils nach ein paar Minuten abwechseln, kann der Nachwuchs zwischendurch entspannen und der Geschichte besser folgen
- Ein gutes Vorbild sein: Eltern, die selbst regelmäßig Bücher oder Zeitung lesen, vermitteln ihren Kindern, wie völlig normal und bereichernd das Lesen ist
- Dem Kind Feedback geben und es motivieren: Lesen ist Übungssache. Das Kind wird Fortschritte machen und muss das auch merken. Das kann durch Sätze geschehen („Wow, du liest schon viel flüssiger als letzte Woche!“) oder auch, indem man das Kind beim Lesen auf Video aufnimmt und das mit früheren Aufnahmen vergleicht.
- Lesen nicht wie „Wegnehmen von Freizeit“ wirken lassen: wenn Eltern mit ihrem Kind lesen üben wollen, während dieses gerade mitten im Spiel ist, wird es das Lesen womöglich als Bestrafung empfinden. Hier bietet sich ein „Deal“ an: das Kind darf abends 15 Minuten länger aufbleiben, aber in dieser Zeit wird gemeinsam mit Mama oder Papa gelesen.
Weitere Tipps für die Lesemotivation haben wir hier zusammengestellt