Das Wichtigste in Kürze:
- Forschende prognostizieren: Der Trend zum Kaiserschnitt beeinflusst unsere Gene und wirkt sich auf die Evolution aus.
- „Geburtsdilemma“: Studie untersucht Zusammenhang von großen Babys und Kaiserschnittgeburten.
- Wird die Kaiserschnitt-Quote in Zukunft weiter ansteigen?
Immer mehr Kaiserschnitte: statistische Entwicklung
Ein Blick auf die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigt: Die Zahl der Kaiserschnitt an deutschen Kliniken steigt. Im Jahr 2021 lag die Quote bei über 30%. Anfang der 90er Jahre brachten nur etwa 15% der Frauen ihr Kind durch einen Kaiserschnitt auf die Welt. Der Anteil hat sich damit in den letzten 30 Jahren verdoppelt.
Die Gründe dafür sind verschieden. Eine großzügige Indikationsstellung seitens der Kliniken spielt hier natürlich eine Rolle. Ist ein hohes Geburtsgewicht zu erwarten, kann das ein Grund für einen Kaiserschnitt sein.
Jedes zehnte Kind kommt mit einem hohen Geburtsgewicht zur Welt
Die Daten der Bundesauswertung Geburtshilfe zeigen, dass etwa jedes zehnte Kind mit einem hohen Geburtsgewicht von 4.000 g oder mehr zur Welt kommt. Dazu trägt auch unsere moderne Lebensweise bei.
Wir leben in dem Luxus, dass Nahrung nicht knapp ist und Ungeborene eine gute Nährstoffversorgung haben. Sie können sich prächtig entwickeln. Zeitgleich hat sich dadurch aber auch ein ungesunder Lebensstil entwickelt, der Volkskrankheiten wie Übergewicht und Diabetes begünstigen kann: beides sind Risikofaktoren für fetale Makrosomie – damit ist ein Geburtsgewicht von über 4 Kilogramm gemeint.
Geburtsdilemma – alte Hypothese neu interpretiert
Eine inzwischen über 60 Jahre alte Überlegung zur menschlichen Evolution hat den Begriff “Geburtsdilemma” geprägt. Demnach sei das weibliche Becken durch den aufrechten Gang immer schmaler geworden, die Gehirne und damit Köpfe der Neugeborenen aber gleichzeitig immer größer. Das macht das Gebären natürlich zunehmend problematisch. Baby mit einem großen Kopfumfang bzw. einem großen Rumpf passen nicht mehr optimal durch den Geburtskanal.
Es gibt inzwischen natürlich Kritik an dieser alten Hypothese. Doch das grundlegende “Geburtsdilemma” ist geblieben und bietet weiterhin viel Stoff für Forschung. Warum hat sich das weibliche Becken nicht breiter entwickelt, um das Risiko von Geburtskomplikationen zu verringern?
Auswirkung auf die Evolution: Kaiserschnitte verändern unsere Gene
Ein Team von Forschenden der Universität in Wien hat die statistische Entwicklung von Kaiserschnitten in diese Überlegung mit einbezogen.
Sie haben in Untersuchungen herausgefunden, dass die steigende Anzahl der Kaiserschnitte auch dazu führt, dass immer mehr Babys einen zu großen Kopf für eine natürliche Geburt haben.
Während zu große Babys früher bei der Geburt starben, weil ihr Kopf nicht (rechtzeitig) durch den Geburtskanal passte, werden sie heute per Kaiserschnitt geholt. Folglich werden die genetischen Anlagen, durch das Überleben der Kinder wieder an die nächste Generation weitergegeben. Die Forschenden gehen davon aus, dass aus diesem Grund immer weniger natürliche und immer mehr problematische Geburten stattfinden werden.
Gibt es irgendwann nur noch Geburten mit Kaiserschnitt?
Dadurch stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung bedeutet, dass irgendwann alle Kinder per Kaiserschnitt geboren werden müssen. Aber die Forschenden können das klar verneinen:
“Ich glaube nicht, dass eines Tages natürliche Geburten unmöglich werden. […] So ein Fötus kann auch nicht unbegrenzt groß werden”, erklärt Philipp Mitteröcker, der Leiter der Studie, im Interview mit der Uni Wien.
Tatsächlich habe diese Veränderung auch einige positive Aspekte: Denn je größer ein Baby bei der Geburt ist, desto größer sind prinzipiell auch seine Überlebenschancen, da es zum Beispiel weniger anfällig für Krankheiten ist. Auch ein schmaleres Becken hat evolutionäre Vorteile, wie Mitteröcker erklärt: Es begünstige unsere Fortbewegung.