Ein Enzym als Schlüssel zur Ursache
Der plötzliche Kindstod galt bislang nicht nur als unfassbare Tragödie für Eltern, sondern auch als großes Mysterium: es gab keine gute Erklärung dafür, warum gesunde Säuglinge ohne Voranzeichen im Schlaf verstarben. Hebammen und Kinderärzte warnen Eltern vor zu vielen Spielsachen und Bettdecken im Kinderbett, die Raumtemperatur sollte nicht höher als 18 ° C betragen und das Baby möglichst auf dem Rücken schlafen. Doch trotz akribischer Einhaltung aller Ratschläge sterben auch in Deutschland jährlich etwa 100 Kinder am plötzlichen Kindstod.
Der australischen Forscherin Dr. Carmel Harrington und ihrem Team gelang jetzt der Durchbruch in der Ursachenforschung von SIDS (Sudden infant death syndrome). Im Zuge der Studie entnahmen die Forscher*Innen zwischen 2018 und 2020 Blutproben von insgesamt 67 an plötzlichem Kindstod verstorbenen Säuglingen. Die Proben verglichen sie mit Blutproben gesunder Kinder und stellten fest: Die Aktivität des Enzyms Butyrylcholinesterase (BChE), das hauptsächlich für die Kommunikation im Gehirn wichtig ist, war bei den verstorbenen Babys viel niedriger als bei gesunden oder an anderen Ursachen verstorbenen Kindern.
Mit dieser Erkenntnis könnte Dr. Harrington zukünftig viele Kinder vor dem Tod schützen und Eltern die Angst vor diesem Schreckensszenario nehmen.
Eigener Sohn der Forscherin starb an plötzlichem Kindstod
Was trieb Dr. Carmel Harrington an, dem Schrecken aller Eltern auf den Grund zu gehen? Traurig, aber wahr: Der Verlust ihres eigenen Sohnes Damien vor knapp 30 Jahren. Auch er verstarb ohne Vorankündigung eines Nachts am plötzlichen Kindstod.
Dieses traumatische Erlebnis ließ die Forscherin jahrelang nicht schlafen, bis sie sich der Forschung verschrieb, um dem Mysterium “Plötzlicher Kindstod” auf den Grund zu gehen.
Harrington wollte aber nicht die Todesursache herausfinden, sondern trauernden Eltern das schlechte Gewissen nehmen. Denn viele Eltern quälen sich jahrelang und denken, sie hätten etwas falsch gemacht oder gar zum Tod des eigenen Kindes beigetragen. In einem Interview gegenüber abc sagte die Forscherin: “All diese Familien können jetzt mit dem Wissen leben, dass es nicht ihre Schuld war.”