Erneute Schwangerschaft nach Fehlgeburt: Neue Studie widerlegt WHO-Empfehlung

Erneute Schwangerschaft nach Fehlgeburt - neue Schwangerschaftsstudie widerlegt WHO-Empfelung
Symbolbild: Nach Fehlgeburt eine erneute Schwangerschaft wagen – wie lange sollte man warten?
@ Pexels / Jonathan Borba

Norwegen – Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollen Frauen nach einer Fehlgeburt oder Abtreibung eine bestimmte Zeit abwarten, bevor sie wieder schwanger werden. Eine neue Schwangerschaftsstudie aus Norwegen widerlegt nun diese Empfehlung. Was darin jedoch nicht berücksichtigt wurde: die psychischen Aspekte.

Analyse der Schwangerschaftsstudie aus Norwegen

Australische Mediziner schreiben im Fachblatt „PLoS Medicine“ über neue Erkenntnisse in Bezug auf erneute Schwangerschaften nach Fehlgeburten. Für ihre Studie haben die Forscher und Forscherinnen von der australischen Curtin School of Population Health Daten von mehr als 72.000 Frauen in Norwegen ausgewertet, die zwischen 2008 und 2016 ein Kind bekommen hatten.

Darunter erlitten 49.000 der Frauen zuvor eine Fehlgeburt und knapp 23.000 hatten einen Schwangerschaftsabbruch. Besonderes Augenmerk lag auf sechs möglichen Schwangerschaftskomplikationen. Darunter fielen Frühgeburten, spontane Fehlgeburten, Präeklampsie und Schwangerschaftsdiabetes. Eine weitere Rolle spielte die Größe der Babys in Bezug auf die Schwangerschaftsdauer.

Nach dieser Analyse kamen die Fortscher und Forscherinnen zum Ergebnis, dass eine Schwangerschaft innerhalb von drei Monaten nach einem Schwangerschaftsabbruch oder einer Fehlgeburt kein erhöhtes Risiko für die oben genannten Komplikationen darstellt.

Das widerspricht der Empfehlung der WHO von mindestens sechs Monaten Wartezeit vor einer erneuten Schwangerschaft.

Medizinische Versorgung muss individuell betrachtet werden

Die Empfehlung der WHO basiert auf einer Studie aus Lateinamerika aus dem Jahre 2005. Hier berichtete man von einem erhöhten Risiko für verschiedene Schwangerschaftskomplikationen. Die australischen Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die Unterschiede in der medizinischen Versorgung in jedem Land berücksichtigt werden müssen.

Genau das ist ein wichtiger Kritikpunkt an der neuen Studie. Die Daten dafür kommen ausschließlich aus Norwegen – einem Land mit höherem Einkommen und einer guten Gesundheitsversorgung. Somit können die Ergebnisse nicht auf andere Länder und Bevölkerungsgruppen übertragen werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in der Studie nicht thematisiert wurde und gänzlich fehlt, ist die Psyche.

Verlust, Trauer und Angst spielen eine große Rolle

Matthias David von der Charité in Berlin verweist deshalb auf mehrere Fachpublikationen in diesem Bereich. Die psychische Verarbeitung eines Schwangerschaftsverlusts stellt für die Mutter und den Partner eine besondere Situation dar. Geprägt wird sie durch Verlust, Trauer und die zukünftige Angst einer weiteren Schwangerschaft.

Ein Aspekt, der in der aktuellen australischen Studie keine Berücksichtigung findet, denn selbst wenn körperlich gegen eine neue Schwangerschaft nichts spricht, muss jeder Trauerprozess individuell betrachtet werden.

„Ich bin davon überzeugt, dass eine Fehlgeburt ein psychosomatisches Ereignis ist, das die betroffene Frau in besonderer Weise (be-)trifft“, kommentiert Gynäkologe David.

Frühere Studien aus anderen Ländern kommen zur selben Beobachtung

Zwar wird der psychische Aspekt in der Studie nicht berücksichtigt. Dafür verweisen die australischen Forscher auf weitere positive Erkenntnisse: das Risiko für zu kleine (SGA) oder zu leichte Babys sei bei erneuter Schwangerschaft innerhalb der sechs Monate geringer als bei einer Wartezeit von sechs bis elf Monaten. Dasselbe gilt für Schwangerschaftsdiabetes.

Zwar bestünde im bei einer Empfängnis von weniger als drei Monaten nach einem Schwangerschaftsabbruch ein leicht erhöhtes, aber nicht erhebliches SGA-Risiko im Vergleich zu größeren (LGA) Babys. Hier wäre das LGA-Risiko mit einer Wartezeit zwischen drei und fünf Monaten etwas geringer.

Schottland und die USA konnten dieselben Beobachtungen in früheren Studien machen. Das wiederum stellt die Empfehlung der WHO infrage, die von sechs Monaten Wartezeit nach einer Fehlgeburt oder einem Schwangerschaftsabbruch ausgeht.

Wie die WHO zu der neuen Studie steht, ist bislang nicht bekannt. Allerdings sollte man aufgrund der fehlenden psychischen Aspekte die neue Studie mit Vorsicht genießen.