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Studie: Corona-Pandemie als langfristige Belastung für Familien

Mädchen während Corona-Lockdown mit Maske
Kinder hatten unter den Corona-Lockdowns besonders zu leiden (Symbolbild)
© Unsplash / Kelly Sikkema

Über drei Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown blickt eine neue Studie zurück auf die Pandemie-Folgen für Familien mit Kindern. Vor allem für Kinder waren diese Folgen negativ – nicht zuletzt wegen des elterlichen Stresses. Wir haben mit dem Autor der Studie, Dr. Samuel Essler, über die Ergebnisse gesprochen.

Corona-Notstand beendet – negative Folgen noch nicht

Kürzlich erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO den Corona-Notstand offiziell für beendet. In den Köpfen vieler Leute ist die Pandemie schon länger vorbei. Doch ihre negativen Folgen belasten einen Teil der Bevölkerung bis heute.

Neben Long-Covid und möglichen Impf-Reaktionen ist besonders die psychische Ebene von Bedeutung. Eine neue Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München hat nun untersucht, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie langfristig für Familien hatte.

Studie über langen Zeitraum bis Ende des dritten Lockdowns

Dafür befragte das Team vom Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie im Zeitraum vom ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 bis nach Ende des dritten Corona-Lockdowns 2021 Familien nach deren Wohlbefinden.

Dabei ging es mit Blick auf die Kinder unter anderem um:

  • emotionale Schwierigkeiten
  • Verhaltensprobleme
  • Hyperaktivität

Untersucht wurden aber auch das Wohlbefinden von Familien als Ganzes, Stress der Eltern und die Qualität der Beziehung zwischen Eltern und Kind.

„Diese sozio-emotionalen Faktoren haben in der Forschung vor der Pandemie viel Beachtung gefunden und eigneten sich so sehr gut für unsere Studie“, so Dr. Samuel Essler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl und Autor der Studie.

Das Ergebnis: Das Wohlbefinden von Kindern hat während der Corona-Pandemie besonders stark gelitten. Nach Ende des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 erholte es sich zwar kurzfristig – doch auf lange Sicht nahm es deutlich ab.

Ein entscheidender Grund dafür: der elterliche Stress. Je gestresster die Eltern waren, desto schlechter ging es den Kindern. Laut Studie habe sich dies besonders zu Beginn des zweiten Corona-Lockdowns Ende 2020 bemerkbar gemacht.

Dr. Samuel Essler zu Hallo:Eltern über mögliche Gründe, warum Kinder so gelitten haben:

„Spekulativ nehmen wir an, dass dies an den auch während der Lockerungen hohen Stressoren für Eltern und Familien liegen könnte. Beispiel hierfür sind veränderte Arbeitsbedingungen wie Home Office, das Managen von distance learning und Wechselunterricht oder auch finanzielle Schwierigkeiten im Zuge der Pandemie.“

Studie auf langfristige Ergebnisse ausgelegt

Die Besonderheit der Studie: sie untersucht sowohl die Effekte der Lockdown-Maßnahmen als auch während der Lockerungen. Das betont auch der Studienleiter, Professor Markus Paulus: „Es ist die erste Studie, die allgemeine Effekte der Pandemie von Lockdown-spezifischen Effekten auf das kindliche Wohlbefinden unterscheiden kann.“

Bereits bekannt war, dass die Isolation von Gleichaltrigen im ersten Corona-Lockdown viele Kinder stark belastet hat. Gleichzeitig konnten viele Familien in der Anfangsphase aber davon profitieren, dass sie plötzlich mehr Zeit füreinander hatten. Allerdings konnte dieser Effekt nicht langfristig anhalten: bis zum Ende des Untersuchungszeitraums im Frühjahr 2021 nahm das Wohlbefinden von Familien kontinuierlich ab.

Ein Faktor, der Kinder und Familien vor negativen Folgen schützte, hat sich auch außerhalb der Corona-Pandemie bewährt: eine gute und gesunde Eltern-Kind-Beziehung.

 

 

Was sagt die Studie über Familienpolitik aus?

Lassen sich aus den Ergebnissen der Studie Rückschlüsse für familienpolitische Maßnahmen ziehen? Laut Studienautor Samuel Essler auf jeden Fall:

„Hier gibt es insbesondere zwei Implikationen, die auch familienpolitisch relevant sind. Erstens muss es während der Pandemie und insbesondere während der Lockdowns erweiterte Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern geben, um Stress zu reduzieren. Dies kann beispielsweise durch Online Beratungen, Umstrukturieren von Arbeitsaufgaben oder auch finanzielle Unterstützung erfolgen. Zweitens sollte ein Fokus auf der Förderung von positiven Eltern-Kind-Beziehungen liegen, der Eltern dabei hilft, einen produktiven Umgang mit herausfordernden kindlichen Verhaltensweisen zu finden und negativ geprägte Interaktionen zu reduzieren.“

Nun sind die Corona-Maßnahmen ja Geschichte und die Pandemie hat ihren Schrecken verloren. Dennoch glaubt Dr. Essler, dass die Politik mit Blick auf die LMU-Studie besser auf ein – hoffentlich nicht eintretendes – vergleichbares Ereignis reagieren sollte als es beim letzten Mal der Fall war.

Seiner Meinung nach sollte es „reduzierte Öffnungszeiten von Bildungseinrichtungen und reduzierte Kontaktmöglichkeiten geben, ohne diese ganz zu unterbinden. Lockdown-Maßnahmen ja, aber weniger restriktiv.“

Quellen

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