Vorlesemonitor 2022: Kindern wird zu wenig vorgelesen
Jedem fünften Kind zwischen einem und acht Jahren wird nie vorgelesen. Zu diesem Ergebnis kam jetzt der aktuelle Vorlesemonitor (veröffentlicht am 7. November 2022) der Stiftung Lesen.
Seit 2007 untersuchen die Stiftung Lesen, die Deutsche Bahn Stiftung und die ZEIT das Vorleseverhalten in Familien durch verschiedene Fragestellungen. Für den Vorlesemonitor 2022 wurden im Mai und Juni 2022 etwa 800 Eltern mit Kindern zwischen einem und acht Jahren befragt.
Aus der Studie geht hervor, dass in fast 40 Prozent der Familien mit Kindern in dieser Altersgruppe wenig oder gar nicht vorgelesen wird. Zum Vergleich: 2019 lag dieser Anteil noch bei 32 Prozent.
Der Anteil der Mädchen und Jungen, denen ein- oder mehrmals pro Tag vorgelesen wird, blieb im Vergleich zu 2019 stabil.
Schulkindern wird zu wenig vorgelesen
Innerhalb der untersuchten Altersgruppen lassen sich Unterschiede feststellen. Zwei- bis Vierjährigen wird zum Beispiel noch sehr häufig vorgelesen. Mit dem Schuleintritt nimmt das dann langsam nach – bei Achtjährigen wird mehr als der Hälfte der Kinder nie vorgelesen.
Die Stiftung Lesen erklärt, dass das zu Frustration bei Kindern führen könne und außerdem ihre Motivation hemmen würde zu lesen. Bei der Vorstellung der Studie erklärte Bildungsstaatssekretär Jens Brandenburg (FDP):
„Die Fähigkeit, fließend zu lesen, entscheidet über den gesamten Bildungs- und Arbeitsweg. […] Wer nicht ausreichend lesen kann, wird Probleme haben, einen Beruf zu erlernen oder zu studieren.“
Lesen lernen beginnt laut Brandenburg im Elternhaus.
Warum lesen Eltern ihren Kindern weniger vor?
Unterschiede in Geschlecht und Bildungshintergrund
Bei der Umfrage zeigten sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern und beim Bildungshintergrund. So lesen Mütter ihren Kindern häufiger vor als Väter.
In Familien mit einem geringeren Bildungsniveau wurde seltener vorgelesen als in Familien mit einer höheren Bildung. 31 Prozent der Kinder, denen nie vorgelesen wird, haben Eltern mit einem Volks- oder Hauptschulabschluss. Bei den Eltern mit einem höheren Abschluss (zum Beispiel Abitur) liegt dieser Anteil bei 18 Prozent.
Übrigens: Der Migrationshintergrund spielte weniger eine Rolle. Unterschiede seien hier laut der Stiftung Lesen eher auf die Bildung zurückzuführen.
Digitale Leseangebote werden kaum genutzt
Online gibt es viele Webseiten und Apps, auf denen Kinder lesen können. Laut dem Vorlesemonitor nehmen zwei Drittel der Kinder diese Angebote allerdings nicht wahr. Ihre Handys und Tablets nutzen sie vor allem zum Musik hören, Filme schauen und, um sich kreativ zu beschäftigen.
Vorlesen hat Langzeit-Auswirkungen
Dass Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, oft weniger Probleme beim Lesen (lernen) haben, ist mittlerweile bekannt. Doch die Studie kam noch zu einem weiteren interessanten Ergebnis:
Bei Kindern, denen selbst vorgelesen wurde, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie als Eltern ihren eigenen Kindern auch vorlesen – ganz unabhängig von der formalen Bildung.