„Echte Männer tragen ihre Kinder nicht!“ – Foto löst Lästerattacke aus

Vater trägt Kind in einer Babytrage vor dem Bauch
Was macht einen männlichen Vater aus?
©Unsplash/Derek Owens

Sind Tragetücher unmännlich? Ein britischer Moderator macht sich über James-Bond-Darsteller Daniel Craig lustig – und hat damit eine Debatte über die Definition von Männlichkeit ausgelöst.

„Wann ist ein Mann ein Mann?“:

Ein Vater trägt seine kleine Tochter in einer Babytrage vor dem Bauch und schlendert so durch die Stadt. Nichts besonders, oder? Doch diese scheinbar alltägliche Situation, stößt bei dem britischen TV-Moderator Piers Morgan auf Unverständnis. Weil Craig seinen Nachwuchs im Tragetuch vor dem Bauch trug, twittere er: „Oh, 007 … nicht auch noch Du?“ gefolgt von dem Hashtag #emasculatedBond (auf Deutsch: „entmannter Bond“).

Die Reaktionen darauf überschlugen sich und Twitter-User starteten einen regelrechten Lovestorm für Daniel Craig: Er wird gelobt, gefeiert und mit Lob überschüttet. Männer posten stolz Fotos von sich mit ihren Babys vor dem Bauch, Frauen noch stolzer Bilder von ihren Männern, die ihr Kind im Tuch tragen.

Doch wo Craig gefeiert wird, wartet auf Morgan eine regelrechte Hasswelle. Viele Nutzer kritisierten die ihrer Meinung nach veralteten Ansichten von Männlichkeit. Darunter auch „richtig harte Kerle“ wie UFC- Kickboxer Alexander „The Hulk“ Volkanovski oder der Wrestler Adam Joseph Copeland.

Ein anderer Papa twitterte: „Die Mutter des Kindes trägt es 40 Wochen lang, manchmal noch länger, bevor es auf die Welt kommt. Als Männer sollte es uns möglich sein, unsere Kinder nach ihrer Geburt zu tragen, um unsere Unterstützung zu zeigen. Es ist überhaupt nichts Verwerfliches daran, sein Kind zu tragen und es damit zu unterstützen.“

Aber nicht nur Männer kritisierten den Moderator, sondern auch Mütter beteiligten sich an der Diskussion. Eine Nutzerin stellte den Moderator die Frage, ob er denn nicht wüsste, dass Frauen es ziemlich sexy finden, wenn Männer ihre Kinder tragen würden.

Es dauerte gar nicht lange, da hat es die Diskussion um die Männlichkeit der heutigen Väter auch über den großen Teich nach Amerika geschafft. „Captain America“-Darsteller Chris Evans schaltete sich ein und schrieb: „Man muss sich seiner eigenen Männlichkeit wirklich sehr unsicher sein, wenn man sich damit befasst, wie ein anderer Mann sein Kind trägt. Jeder Mann, der Zeit damit verschwendet, Männlichkeit zu quantifizieren, ist innerlich verängstigt.“

Wir sind noch überhaupt nicht „postgender“

Zwar scheint das Twitter-Universum mittlerweile die gängigen Elternklischees verworfen zu haben, doch im realen Leben, sind wir nicht so fortschrittlich wie wir glauben.

„Wir sind was Elternschaft angeht überhaupt nicht „postgender“ oder dergleichen. Es gibt nach wie vor sehr wirkmächtige Vorstellungen davon, wie Mütter und Väter zu sein haben“, sagt Paula Villa, Professorin für Soziologie und Gender Studies an der Ludwig-Maximilians-Universität München gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“.

Zwar hätten wir mehr Vielfalt als noch vor 30 Jahren, aber sehr viel weniger als viele meinen würden. Eigentlich sei man noch meilenweit davon entfernt, dass das Geschlecht des Elternteils keine Rolle mehr spielen würde.

Das zeigen auch die Zahlen zur Elternzeit. Zwar hat eine Studie des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen herausgefunden, dass Väter, die in Elternzeit gehen, auch danach mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Allerdings sind laut dem Bildungsbericht 2018 überwiegend die Mütter weiterhin für die Betreuung der Kinder im ersten Lebensjahr zuständig.