Alter und Lage ist alles…
Bei der Familienplanung ist es ein bisschen wie beim Eigentumskauf – Alter und Lage ist alles. Wir sind das damals – trotz des jungen Alters – sehr bewusst angegangen. Deshalb haben wir unsere beiden Sprösslinge etliche Jährchen VOR dem aktuell gängigen Mittel bekommen und sind relativ rasch mit Kind und Kegel an den Stadtrand gezogen. Wir sind also – für das Alter unserer Kinder – relativ jung und leben aber in einer recht „spießigen“ Gegend, wenn man so möchte.
Das ist eine interessante Kombination. Im Schnitt sind die Eltern der Mitschüler und Freunde unserer Kinder nämlich um 10-15 Jahre älter als wir und beruflich deutlich wirtschaftlich orientiert. Was (eigentlich!) so überhaupt nicht unsere Welt ist.
So wie wir unseren Nachwuchs ungewöhnlich früh bekommen haben, haben sich die meisten Eltern in unserem Umfeld erst um ihre Karrieren gekümmert und das mit der Familienplanung eher später erledigt. Das erklärt die 10-15 Jahre Altersunterschied ganz gut.
Auch sonst hatte ich lange Zeit das Gefühl, uns eint nichts bis wenig. Riesige Einfamilienhäuser, teure Autos, exklusive Urlaubsreisen und das Kindermädchen, das aus Kindergarten und Schule abholt – das ist hier in unserer „Blase“ schon eher Standard. Nach der öffentlichen Grundschule (die einen extrem guten Ruf hat) gehen viele Kinder in Privatschulen weiter.
Auch die Smalltalk-Themen (Häuser, Urlaube, Autos,…) sind nicht so meines. Kurz gesagt: In Gesellschaft der Eltern der Freunde und Schulkollegen meiner Kinder habe ich mich oft ein bisschen deplatziert gefühlt, um nicht zu sagen unwohl.
Skurrile Situationen bei Elternsprechtagen
Am auffälligsten waren die Unterschiede immer bei Elternsprechtagen im Kindergarten oder der Schule. Dazu bin im Hause Kirschbaum ich verdonnert, weil meine Frau elterlichen Zusammenkünften eher ablehnend gegenübersteht. Nachdem es mir eindeutig weniger ausmacht, fühle ich mich eben zuständig, mir zwei Mal im Jahr die geballte „Skurrilität“ (ich meine das nicht so böse, wie es klingt, sondern eher neutral…) zu geben.
Bei uns sitzt dann der Großteil der Eltern schick angezogen (Anzug/Kostüm – wahrscheinlich direkt aus dem Büro kommend) in Kindergartengruppe oder Schulklasse herum – mittendrin ich (leger – SEHR leger, um nicht zu sagen: schwer „underdressed“). Das alleine ist ja schon irrwitzig genug.
Beim Großteil der dringend zu besprechenden Themen muss ich mich aber tatsächlich mental ausklinken…
Da ging es leider bereits im Kindergarten viel um Leistung, im Laufe der Schulzeit wird das entsprechend auf die Spitze getrieben. Manchmal tut mir das Zuhören allein weh.
Der Weg vieler Kinder in dieser Blase scheint mir vorgegeben. Nicht ohne den – mutmaßlich – entsprechenden Druck aus dem Elternhaus. Zumindest, wenn ich manchen Eltern bei diesen Zusammenkünften so zuhöre. Da muss ich mich dann echt zurückhalten. Schon in jungen Jahren sind viele Kinder auf Leistung und Materielles gedrillt. Wir funktionieren da ein wenig anders beziehungsweise haben wir andere Prioritäten…
Was soll ich mit denen nur anfangen?
Im Vergleich zu den meisten Eltern der Freunde unserer Kinder fallen wir wohl auf. Eher alternativ im Aussehen, eher alternativ in den Weltanschauungen, eher alternativ im Erziehungsstil und eben um einiges jünger… Ich glaube schon, dass wir – zumindest anfangs – ähnlich beäugt und beurteilt wurden, wie wir das umgekehrt ja auch tun/getan haben.
Nachdem meine Frau auch noch um einiges jünger aussieht, als sie tatsächlich ist, wurde sie sogar einmal gefragt, ob sie denn „so eine Teenagermutter“ wäre. (Das ist bei uns daheim immer noch ein Running Gag…) So wirklich viel anfangen konnten wir und „die anderen Eltern“ wohl wechselseitig nicht miteinander…
Im Endeffekt hat die Kluft aber im Laufe der Jahre ein wenig an Tiefe verloren. Unsere Kinder sind relativ beliebt, ecken nirgendwo an und sind wohl das, was man durchaus als „guten Umgang“ bezeichnen kann.
Nachdem wir Eltern auch eher unkompliziert sind und mehr so von der zurückhaltenden Sorte, sind die „Smalltalk-Situationen“ (vor der Schule, bei Klassenabschlussfeiern, am Spielplatz, …) mittlerweile okay und beinahe so etwas wie Routine. Und dann war da ja noch die Sache mit dem Kindergeburtstag…
Von Kindergeburtstagen und Bands…
Jenem Kindergeburtstag nämlich (VOR Corona! Das waren noch Zeiten, mit unkomplizierten Partys und so…), von dem ich meine Tochter abgeholt habe. Den Geburtstagskind-Vater hätte ich damals kaum erkannt, ehrlich! Da saß der gute Mann nämlich plötzlich nicht im Maßanzug da, sondern in zerrissenen Jeans und einem coolen Band-Shirt. Ich habe geglaubt, ich sehe nicht recht!
Im Handumdrehen entwickelte sich eine angeregte Diskussion über Musik und Bands. Der hatte echt Ahnung, der Kerl! Schließlich fanden wir heraus, dass wir in grauen Vorzeiten (also VOR den Kindern ;)) beide in einer Band gespielt hatten, die ähnliche Musik machte. Und plötzlich war das Gespräch alles, nur nicht mehr oberflächlich…
Seit damals bin ich tatsächlich ein wenig vorsichtiger mit Wertungen. Immerhin weiß man – alleine anhand oberflächlicher Infos – ja tatsächlich nicht, was dahintersteckt.
Weder in die eine noch in die andere Richtung… So sind „die anderen“ nicht zwingend auf Leistung trimmende Yuppie-Eltern und wir wohl auch keine „weichgespülten Hippie-Eltern“, die den Nachwuchs viel zu früh bekommen haben. Die Wahrheit liegt wohl eher – wie so oft – irgendwo dazwischen!