„Papa, was ist eigentlich eine Schwuchtel?“

Da kann einem schon mal das Wurstbrot im Hals stecken bleiben
Da kann einem schon das Wurstbrot im Hals stecken bleiben
© Unsplash/ Filippo Andolfatto

Wenn die lieben Kleinen plötzlich mit Worten wie „Schwuchtel“ um sich werfen, ist es höchste Zeit für ein wenig Aufklärung. Genau das hat sich unser Papa Markus Kirschbaum unlängst auch gedacht!

Von Schimpfwörtern und Wurstbroten

Es ist gar nicht lange her, da erklang ein wütendes: „Lass das, du Schwuchtel! Das ist meins!“ aus dem Kinderzimmer im oberen Stockwerk. Beinahe wäre ich an meinem Wurstbrot erstickt! Während ich also noch verzweifelt nach Luft rang, überlegte ich krampfhaft, wo Sohnemann solche Worte herhaben mochte. Aus der Schule? Vom Fußball? Vom Spielplatz? Egal, die Sache war eindeutig: Es war wieder einmal an der Zeit für eine Lektion „Aufklärung mit dem Lieblingspapa“!  Das finden meine Kinder zwar „urpeinlich“, aber in manchen Situationen kann man auf so etwas eben keine Rücksicht nehmen.

Aufklärung aus dem Stegreif

Aber gut, das mit den Bienen und Blumen konnte noch warten, bis ich mein Brot aufgegessen hatte. Die fünf Minuten mehr oder weniger würden wohl hoffentlich keinen Einfluss darauf haben, ob aus meinem Sohn später ein homophober Ungustl werden würde. Noch war ich also recht entspannt.

Als ich wenig später in Richtung Kinderzimmer losstartete, legte ich mir in meinem Kopf eine perfekte und pädagogisch wertvolle Strategie zurecht. Doch dann musste ich mir eingestehen, dass ich meinem 9jährigen wohl keinen hochtrabenden Vortrag über Diskriminierung und Moral halten sollte. Also verwarf ich meine hochgeistige Strategie kurzerhand wieder. Ich würde das einfach spontan machen! Schließlich war das hier doch eine Situation, direkt aus dem Leben.

Das böse Sch-Wort

Hoch motiviert stürmte ich also das Kinderzimmer und war ganz der coole Papa: „Öhm … ähm … Was hast du da g… g… gerade gesagt?!“

Mit einem riesigen Fragezeichen im Gesicht schaute mein Sohn mich aus unschuldigen Augen an. Der Kerl hatte natürlich keine Ahnung, was ich von ihm wollte. Kein Wunder, seit dem Wort des Anstoßes waren ja auch wertvolle Minuten vergangen! (Memo an mich selbst: Beim nächsten Mal auf keinen Fall zu Ende essen, sondern besser hungrig ins Gefecht gehen!)

„Das Sch-Wort…“, half ich ihm auf die Sprünge.

„Scheiße?“, war er sehr bemüht, es mir recht zu machen.

Nein, nein, so konnte ich die Sache mit den Bienen und Blumen vollkommen vergessen. Ich lüftete des Rätsels Lösung also: „Schwuchtel!“

„Ach so“, meinte mein Sohn nur lapidar und wollte weiterspielen. Da mussten also schwerere Geschütze her.

„Weißt du eigentlich, was das heißt?“

Das Fragezeichen in seinem Gesicht war unverändert.

„Ein Schimpfwort vielleicht?“, versuchte er sein Glück. Langsam kamen wir der Sache näher!

„Kluger Bub“, bestätigte ich und holte dann tief Luft…

Bienchen, Diskriminierung und Hochzeitsglocken

In den nächsten Minuten haute ich einen super Vortrag raus. Über Gleichberechtigung, freie Liebe und Diskriminierung. Auch die Bienchen und Blümchen kamen nicht zu kurz. Beide Kinder hingen an meinen Lippen und unterbrachen mich nur ganz selten. Ich war echt stolz auf mich. Vielleicht sollte ich mit einem coolen Aufklärungsmobil durch Schulen touren, vielleicht sollte ich mir auf der nächsten Regenbogenparade ein Megaphon schnappen, vielleicht sollte ich …

Doch meine Kinder holten mich im Handumdrehen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück:

„Boah, das ist ja total gemein, dann sag ich’s lieber nicht mehr“, lenkte Sohn ein und gestand mir dann, dass es ihm sowieso völlig egal sei, ob Männchen oder Weibchen. Küssen und Sex seien einfach eklig und heiraten will er ohnehin gar niemanden! Töchterchen indessen setzte einen verzückten Blick auf und meinte dann freudig: „Super, dann kann ich ja die Sophie heiraten! Kommst du zur Hochzeit?“

Nun ja, der Aufklärungs-Papa hatte also seine Schuldigkeit getan, der Aufklärungs-Papa konnte gehen!

Das Sch-Wort fiel seither übrigens nicht mehr. Meine Kinder hatten die Quintessenz wohl verstanden: Die Sache selbst ist völlig normal, das Wort aber schwer diskriminierend. Damit war das dann auch gegessen! Tja, da könnte sich so mancher vorurteilsbehafteter Erwachsener doch glatt eine Scheibe von der jüngsten Generation abschneiden!

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