Auch Väter können eine postpartale Depression bekommen: Risiko wird unterschätzt

vonConnie Gräf-Adams | freie Autorin
Mann sitzt auf dem Bett
Auch Männer können unter postpartaler Depression leiden
© Bigstock / wombatzaa

Noch wird wenig darüber gesprochen, aber auch Väter können eine postpartale Depression bekommen. Schätzungen zufolge könnte sogar jeder zehnte Mann betroffen sein. Daher ist es wichtig, die Anzeichen zu verstehen.

Postpartale Depression ist bei Vätern kein seltenes Problem

Ein Kind zu bekommen und Eltern zu werden ist eine Herausforderung. Die große Verantwortung, die man plötzlich trägt, ist fordernd und kann auch überfordern. Bis man als Familie so etwas wie einen funktionierenden Alltag entwickelt, braucht es Zeit. Und manchmal können Väter wie Mütter Schwierigkeiten haben, sich in ihrer neuen Rolle einzufinden.

Dann überschatten negative Gefühle und Gedanken das Familienglück. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge leiden 10% bis 15% der Wöchnerinnen unter einer postpartalen Depression. Was viele nicht wissen: Von den psychischen Problemen nach der Geburt sind auch Männer betroffen.

Jeder zehnte Vater könnte betroffen sein

Experten schätzen, dass in Deutschland etwa 8% bis 10 % der frischgebackenen Väter an einer postpartalen Depression leiden. Gab es bereits in der Vergangenheit depressive Episoden, dann ist das Risiko entsprechend erhöht.

Tatsächlich wird die Dunkelziffer noch um einiges höher eingeschätzt. Denn oft sind es gerade Männer, die sich nicht eingestehen, unter psychischen Problemen zu leiden bzw. psychologische oder psychotherapeutische Hilfe zu benötigen. Daher ist es generell wichtig für das Thema zu sensibilisieren.

Mögliche Warnsignale für eine postpartale Depression

Die depressiven Verstimmungen äußern sich häufig durch

  • Gefühle von Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Selbstzweifel und Überforderung
  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Reizbarkeit und Aggressivität gegenüber dem Baby und der Partnerin
  • Gleichgültigkeit und mangelndes Interesse an Mutter und Kind bzw. gemeinsamen Unternehmungen
  • Flucht in Ablenkung, z.B. längere Arbeitszeiten, Aktivitäten mit Freunden, Ausübung von Sport und Hobbys
  • Starker Alkoholkonsum

Zwar können sich die Anzeichen schon direkt nach der Geburt bemerkbar machen, meistens treten die Symptome bei Vätern jedoch drei bis sechs Monate nach der Geburt des Kindes auf.

Mögliche Ursachen und Risikofaktoren

Im Gegensatz zu depressiven Störungen bei Müttern ist die postpartale Depression bei Vätern noch weitgehend unerforscht. Es ist davon auszugehen, dass die psychische Erkrankung auf ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zurückzuführen ist.

So wird vermutet, dass auch bei Vätern Hormonschwankungen eine Rolle spielen können. Studien zeigen, dass nach der Geburt der Testosteronspiegel des Mannes vorübergehend absinken kann. Je niedriger der Testosterongehalt, desto höher ist demnach die Tendenz zu depressiven Verstimmungen. Zudem wird der Schlafmangel in den ersten Monaten mit dem Säugling als wesentlicher Risikofaktor angesehen. Hinzu können finanzielle Sorgen und eine Überforderung in der Rolle als Hauptverdiener kommen. Auch das Beziehungsgefüge ändert sich durch die neue familiäre Konstellation, in der die Bedürfnisse des Babys stark im Vordergrund stehen.

Wissenschaftler haben außerdem herausgefunden, dass ein höheres Risiko für die Entwicklung einer postpartalen Depression besteht, wenn bei dem Mann schon früher depressive Episoden aufgetreten sind, auch die Mutter unter postpartalen Symptomen leidet sowie bei Frühgeburten oder wenn es zu Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt kam.

Negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes

Sich einzugestehen, mit der neuen Vaterrolle überfordert zu sein, darf nicht als Schwäche oder Versagen verstanden werden. Im Gegenteil: Wer sich Hilfe sucht, übernimmt Verantwortung für sich und seine Familie.

Denn bleibt die postpartale Depression beim Vater unbehandelt, bedeutet das nicht nur eine starke Belastung für den Betroffenen selbst. Die psychischen Probleme gehen auch mit vermehrten Konflikten in der Partnerschaft und ungünstigen Folgen für das Kind einher.

Ein aggressives Verhalten oder mangelndes Interesse kann zu Störungen in der sprachlichen Entwicklung und motorischen Entwicklung des Kindes führen. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko, dass das Kind im späteren Leben selbst von psychischen Erkrankungen betroffen ist.

Therapie bei postpartalen Depressionen

Eine Depression lässt sich nicht selbst therapieren. Bei Anzeichen auf eine PPD sollte man unbedingt professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Erste Anlaufstelle kann der Hausarzt sein, der für gewöhnlich verschiedene Therapie-Optionen aufzeigt. Für den Besuch bei einem Psychotherapeuten ist übrigens keine ärztliche Verordnung erforderlich.

Die therapeutischen Maßnahmen richten sich nach den vorliegenden Symptomen und der Ausprägung der PPD. Bei einer schweren Depression können zusätzlich zu einer Verhaltens- oder Psychotherapie auch für eine gewisse Zeit Antidepressiva zum Einsatz kommen.

Hilfe für Eltern mit postpartalen Depressionen

Auf den Seiten der Selbsthilfe-Organisation Schatten & Licht e.V. finden Mütter und Väter ausführliche Informationen über peripartale psychische Erkrankungen und eine Liste von BeraterInnen und LeiterInnen von Selbsthilfegruppen, die – auch am Wochenende und abends – für eine kostenlose Beratung zur Verfügung stehen. Im Forum kann man sich mit anderen Betroffenen austauschen.

Für psychische Probleme und Sorgen steht zudem rund um die Uhr die Telefon-Seelsorge unter den Rufnummern 0800/1110111 und 0800/1110222 oder im Online-Chat anonym und kostenlos bereit.

Quellen