Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen

Junge spielt mit Smartphone
Smartphone, Internet und Spielekonsole sind für viele Kinder zu große Verlockungen
© Pixabay / Oleksandr Pidvalnyi

Dass Kinder und Jugendliche das Internet nutzen und Smartphones besitzen, ist heutzutage nichts ungewöhnliches mehr. Doch wann wird Mediennutzung zur Sucht? Und was können Eltern dagegen unternehmen?

DAK-Studie: Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen steigt

Eine Studie der gesetzlichen Krankenkasse DAK sorgte im März 2023 für Aufsehen. Demnach seien sechs Prozent der Jugendlichen, also geschätzt 600.000 Mädchen und Jungen, inzwischen abhängig von Computerspielen und sozialen Medien. Vor allem zwischen 2019 und 2022 sei die Zahl auf dramatische Weise gestiegen. Ebenso besorgniserregend: Die Zahl der Jugendlichen, die Internet, Games und soziale Medien bereits „problematisch nutzen“, liegt sogar noch deutlich höher – bei 2,2 Millionen.

Als einen wichtigen Grund für diese erschreckende Entwicklung führt die DAK-Studie die Corona-Pandemie an. Um die Einsamkeit in den Lockdowns zu kompensieren, hätten Jugendliche deutlich mehr Zeit vor Computer- und Smartphone-Bildschirmen verbracht. Die Nutzungsdauer von Computerspielen und Sozialen Medien habe sich demnach besonders in den ersten Lockdown-Wochen im April 2020 dramatisch erhöht.

Jungs sind anfälliger als Mädchen

Bei der Sucht nach Computerspielen sind Jungen deutlich häufiger betroffen als Mädchen – sie machen hier rund zwei Drittel der Süchtigen aus. Bei der Abhängigkeit von sozialen Medien ist die Verteilung etwa gleich.

Wann wird Mediennutzung zur Sucht?

Doch wann spricht man eigentlich von „Mediensucht“? Wo liegt die Grenze zwischen „normaler“ und exzessiver Mediennutzung?

Laut WHO-Kriterien ist mediensüchtig, wer über einen Zeitraum von einem Jahr die Kontrolle über sein Nutzungsverhalten verloren hat und sich aus anderen Lebensbereichen zurückzieht. Selbst wenn die negativen Auswirkungen, etwa auf die Gesundheit, offensichtlich werden, ändert der oder die Süchtige das Verhalten nicht.

Symptome: Wie drückt sich Mediensucht aus?

Suchtverhalten drückt sich oft in ähnlichen Verhaltensmustern aus – egal, ob es um Tabak- oder Alkoholsucht geht oder eben um das übermäßige Verlangen nach digitalen Medien. Bei Mediensucht sind üblicherweise folgende Verhaltensmuster zu beobachten:

  • Betroffene verbringen den Großteil ihrer Zeit im Internet, am Handy oder mit Videospielen
  • Hobbys, soziale Beziehungen oder andere Freizeitbeschäftigungen werden vernachlässigt
  • kein oder nur geringes Verständnis für die Gefahren der Situation
  • das Ausmaß der Sucht wird heruntergespielt
  • unangenehme Reaktionen und Zustände, wenn die digitalen Medien nicht verfügbar sind

Die WHO hat die Sucht nach Computerspielen 2018 offiziell zur Krankheit erklärt.

Welche Probleme bringt Mediensucht mit sich?

Exzessive Mediennutzung kann zu gesundheitlichen Problemen bei Kindern und Jugendlichen führen. Mangelnde Bewegung ist dabei nur ein Faktor. In der Studie der DAK gaben über die Hälfte der befragten Kinder und Jugendlichen an, dass sie Schmerzen spüren, wenn sie mehrere Stunden am Stück an einem digitalen Gerät verbringen. Schmerzen im Nacken, im Unterarm oder im Arm sowie trockene und juckende Augen wurden genannt. Hinzu kommen weitere Probleme wie eine oft schlechte Ernährung und das Fehlen sozialer Kontakte.

Studien von Harvard-Forschern deuten sogar darauf hin, dass Jugendliche, die mit psychischen oder anderen Problemen zu kämpfen haben, durch soziale Medien eine Verschlimmerung erfahren. Die Zahlen legen nahe, dass Mädchen im Alter von 11 bis 13 Jahren und Jungen im Alter von 14 bis 15 Jahren einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Die Auswirkungen sozialer Medien auf Jugendliche gerieten im Jahr 2021 durch einen durchgesickerten Instagram-Forschungsbericht ebenfalls ins Rampenlicht. Daraus ging hervor, dass eins von drei Mädchen Instagram dafür verantwortlich macht, dass sich ihre Probleme mit dem Körperbild und die problematische Nutzung sozialer Medien verschlimmert haben.

Anfang 2023 sorgte Vivek Murthy, der Leiter einer großen Gesundheitsbehörde in den USA, erneut für Aufsehen, als er über den Umgang von Kindern und Jugendlichen mit sozialen Medien warnte. 13-Jährige sind seiner Meinung nach „zu jung“, um mit den Inhalten in sozialen Medien konfrontiert zu werden. Betreiber würden seiner Meinung nach zu wenig für den Schutz von Kindern tun und auch ihre psychische Gesundheit gefährden: „Als wir gefährliche Fahrzeuge auf die Straße ließen, haben wir Gesetze erlassen, um diese Fahrzeuge weniger gefährlich zu machen. Wir sollten Entscheidungen treffen, um soziale Medien zu einer gesünderen Erfahrung zu machen, die den Kindern ein besseres Selbstwertgefühl gibt und sie weniger allein lässt“, sagt Murthy.

Beispiele für die psychische Gefährdung von Jugendlichen gibt es genug – mitunter führten sogenannte „Challenges“ in sozialen Medien auch schon zum Tod der jungen Teilnehmer. In den USA verklagten mehrere Eltern die Plattform TikTok, nachdem ihre 8 und 9 Jahre alten Kinder bei „Blackout Challenges“ gestorben waren. Beide Mädchen hatten Smartphones zum Geburtstag bekommen und waren schnell von TikTok abhängig geworden.

Ist Medienkonsum generell schlecht für Kinder?

Die Ergebnisse der DAK-Studie zeigen vor allem das große Suchtpotenzial von Computerspielen und sozialen Medien. Sie sollten nach Ansicht von den Experten der Initiative „Schau hin“ allerdings nicht dazu verleiten, Mediennutzung generell zu verdammen:

„Es ist ja nicht falsch, dass Kinder schon früh den Umgang mit Medien lernen und mit Unterstützung der Eltern immer besser einschätzen können, wie Chancen und Risiken verteilt sind. Ob Kinder wissen, was eine gute Website von einer schlechten unterscheidet, dass man mit privaten Daten vorsichtig umgehen muss, was beim Chatten geht und was nicht – diese Kenntnisse erwachsen im Gespräch.“

Wichtig ist vielmehr, dass Kinder das richtige Maß bei Mediennutzung finden und behalten. Bei der Entwicklung hin zu einer gesunden Nutzung von Medien sind die Eltern gefragt.

Praktische Tipps: Wie Eltern Mediennutzung regulieren können

Wie so oft gilt: frühzeitiges Eingreifen bei der Erziehung und klare Regeln sind unabdingbar. Die unter anderem vom Bundes-Familienministerium geförderte Initiative „Schau hin“ gibt praktische Tipps, wie Eltern ihren Kindern dabei helfen können, die digitale Welt zu entdecken, ohne die analoge zu vernachlässigen.

  • Feste Bildschirmzeiten vereinbaren: besonders bei Kindern unter zehn Jahren sollten Eltern darauf achten, dass eine vorher festgelegte Medienzeit nicht überschritten wird. Bei Kindern bis 5 Jahren empfiehlt „Schau hin“ ein halbe Stunde Bildschirmzeit pro Tag, bei Kindern bis 10 Jahren eine Stunde. Die Zeit vor Schul-Computern oder -Tablets sollte nicht mit angerechnet werden.
  • Bei älteren Kindern Medienkontingent festlegen: Kinder über 10 Jahre sollten lernen, sich ihre Zeit selbst einzuteilen. Etwa durch ein wöchentliches Zeitkontingent für Mediennutzung – sobald das aufgebraucht ist, bleiben die Bildschirme die restliche Woche dunkel.
  • Routinen und Regeln für den Alltag festlegen: Bei den Hausaufgaben und am Esstisch hat das Handy nichts am Tisch zu suchen. Eine oder zwei Stunden vor der Bettgehzeit bleiben alle Bildschirme aus. Regeln wie diese helfen Familien, ihre Mediennutzung im Alltag zu strukturieren. „Schau hin“ bringt zudem den Vorschlag eines „handyfreien Tags“ pro Woche ins Spiel, an den sich die ganze Familie hält. Auch die Zeit vor Spielkonsolen kann durch klare Regeln begrenzt werden.
  • Interesse zeigen und Vorbild sein: Eltern, die wissen, welche Medien ihre Kinder konsumieren – Spiele, Serien, Videos – können sie besser über mögliche Risiken aufklären. Also sollten manche YouTube-Clips oder Streams auch mal zusammen geschaut werden. Eltern, die zudem ihre eigene Mediennutzung kritisch hinterfragen und gegebenenfalls regulieren, sind bessere Vorbilder. Ein medienfreier Tag pro Woche auch für sie könnte Signalwirkung für die Kinder haben.

Therapie und Behandlung von Mediensucht

Wenn Mediensucht als solche erkannt wird – sprich: wenn Schule, Sportverein, Freunde oder Hobbys und Pflichten konsequent vernachlässigt werden, weil digitale Erlebnisse wichtiger sind – dann müssen Eltern handeln. Professionelle Hilfe bieten unter anderem Sucht- und Erziehungsberatungsstellen. Erstgespräche können auch ohne das Kind stattfinden, falls dieses seine Sucht strikt leugnet.

Quellen