Im Chat mit meiner Hebamme: Bedeutung digitaler Gesundheitsangebote wächst

Mama und Baby in der digitalen Sprechstunde
Kann die digitale Sprechstunde den Hebammenmangel entschärfen?
© Pexels / Rodnae Productions

Digitale Gesundheitsangebote für Schwangere und Mütter haben während der Corona-Pandemie an Bedeutung gewonnen. Wie gut die Wochenbettbetreuung per Chat funktionieren kann, zeigen Angebote wie Kinderheldin.

Corona-Pandemie hat Arbeitsbelastung für Hebammen weiter verschärft

Der Hebammenmangel ist in Deutschland Dauerzustand. Das Problem seit Langem bekannt. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Arbeitsbelastung für Hebammen weiter verschärft und der Versorgungsnotstand ist nochmals größer geworden: regelmäßig fielen Hebammen wegen einer COVID 19-Erkrankung aus, oder weil sie ihre eigenen Familien während Kita- und Schulschließungen zu Hause betreuen mussten. Einige gaben ihren Beruf wegen der hohen Arbeitsbelastung und der schlechten Bezahlung ganz auf.

Wie deutlich das Schwangere spüren, ist abhängig vom Wohnort. In Großstädten oder in ländlichen Regionen fällt der Mangel oft besonders auf. Der bayerische Hebammenverband geht beispielsweise davon aus, dass im Jahr 100 Frauen im Wochenbett nicht versorgt werden könnten, wenn auch nur eine Hebamme ausfällt. Das erklärt der Verband in einem Gespräch mit dem BR. Wie viele Nachsorgehebammen in ganz Deutschland fehlen, dazu gibt es keine umfassenden Daten.

Hebammenmangel führt zu schlechter Wochenbettbetreuung

Die Studie „Mangel an Hebammen in Deutschland“, die von dem Marktforschungsinstitut SKOPOS durchgeführt wurde, versucht eine Annäherung: Demnach nimmt jede fünfte Mutter keine Hebamme zur Nachsorge in Anspruch. Das wären im letzten Jahr etwa 159.000 Frauen gewesen. Wie hoch die Zahlen tatsächlich sind, ist jedoch schwer zu sagen, da für die Studie nur 1.000 Frauen befragt wurden.

: Erschreckende Zahlen

Trotzdem zeichnet sich eine Tendenz ab: Zu oft werden Mütter schon wenige Tage nach der Geburt mit ihren Fragen und Problemen alleine gelassen. Für Hebamme Nicole Höhmann ist das ein besorgniserregender Missstand. Es könne nicht sein, dass sich frisch gebackene Eltern ihre Informationen im Internet selbst zusammensuchen müssen. Ihrer Meinung nach sei es längst überfällig, digitale Gesundheitsangebote zu schaffen, bei denen die Nutzer:innen wissen, dass die Qualität stimmt.

Bedarf und Akzeptanz für digitale Gesundheitsangebote wächst

Der Bedarf und die Akzeptanz dafür sind auf jeden Fall da. Das bestätigt der Deutsche Hebammenverband. Zusammen mit der Hochschule für Gesundheit in Bochum und dem BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung hat der Verband dazu die Studie “Digitale Hebammenbetreuung im Kontext der Covid-19-Pandemie“ veröffentlicht.

„Viele Hebammenleistungen lassen sich auch digital durchführen. Dazu gehören zum Beispiel Kurse zur Geburtsvorbereitung, zur Rückbildung und Beratungen“, sagt Ursula Jahn-Zöhrens vom Deutschen Hebammenverband. 52,3 Prozent der befragten Frauen fänden die digitalen Angebote genau richtig oder wünschten sich deren weiteren Ausbau.

So kann digitale Wochenbettbetreuung aussehen

Nicole Höhmann ist Mitgründerin von der Gesundheitsplattform Kinderheldin. Sie arbeitet zusammen mit anderen Hebammen daran, ein solches umfassendes Angebot für Schwangere und Mütter zu schaffen. Bereits seit 2017 gibt es kinderheldin.de. Nutzer:innen finden hier ein breites Angebot an Video-Kursen zur Geburtsvorbereitung, zur Rückbildung, zum Thema Babyschlaf, Ernährung & Co. sowie digitale Live-Kurse, in denen auch mit der Kursleitung und den anderen Teilnehmenden interagiert wird. Zusätzlich gibt es die persönliche Hebammensprechstunde per Chat.

Nicole: „Eine Hebamme vor Ort hat nicht unbedingt unendlich viel Zeit, um Sachen zu klären. Wenn ich als Mutter dann nochmal eine Anlaufstelle online habe, wo sich jemand eins zu eins mit mir befassen kann, trägt das auch dazu bei, den Stress zu minimieren und einfach so ein bisschen mehr Selbstwert und Selbstbewusstsein als Mutter zu bekommen.”

Digitale Angebote können Hebammen entlasten

In einer Zeit, in der Informationen jederzeit online verfügbar sind, machen junge Eltern sich oft selbst sehr viel Stress. Diese Verunsicherung sei oft deutlich zu spüren, meint Nicole: “Wir haben einen ganz großen Anteil daran, die Frauen zu beruhigen. Man merkt zu Beginn im Chat oder eben im Telefonat, dass sie ganz aufgebracht sind. Daher ist es wichtig, dass man die Frauen auch einfach abholt.”

In dem Umfang für jede Familie, die eine Hebamme betreut, gleichermaßen dauerhaft verfügbar zu sein, das kann einer alleine gar nicht leisten. Im Team ist das möglich. “Durch die Online-Angebote können wir Hebammen vor Ort ein Stück weit entlastet werden. Damit sie sich auch mehr um die Sachen kümmern können, wo die Betreuung vor Ort auf jeden Fall gegeben sein muss”, sagt Nicole.

: Online-Kurse als Kassenleistung

Viele Krankenkassen unterstützen das Angebot von Kinderheldin bereits. Einige Kurse und zum Teil auch die Hebammensprechstunden kannst du also als Kassenleistung gratis nutzen – eben wie bei einer normalen Hebamme auch.

Deutscher Hebammenverband hält Online-Betreuung für sinnvoll

Die Corona-Pandemie war in vielerlei Hinsicht ein Treiber für die Digitalisierung. Das gilt auch für digitale Gesundheitsangebote. Was vorher vielleicht eher als Nischenprodukt im Internet galt, ist zum Teil unverzichtbar geworden. Die Vorteile einer Online-Betreuung sieht auch der Deutsche Hebammenverband. Betont aber, dass der Ausbau der digitalen Angebote nicht zulasten einer persönlichen Betreuung gehen dürfe.

Denn klar ist, eine Online-Betreuung kann nicht alle Aufgaben übernehmen, die Hebammen vor Ort leisten. Das ist aber auch gar nicht der Anspruch. Beides kann nebeneinander bestehen, ohne miteinander zu konkurrieren. Gut aufeinander abgestimmt, profitieren Hebammen, aber vor allem Familien.

Quellen