Wenn die Geburt eingeleitet werden muss – verschiedene Methoden

Schwangere mit dickem Bauch wartet auf Geburt
Geburt einleiten, wenn der ET überschritten ist?
© Bigstock/ stasia04

Wir erklären, wann eine Geburt eingeleitet werden muss. Du findest hier einen Überblick über verschiedene (medikamentöse) Methoden, um Wehen auszulösen und warum Cytotec® in der Geburtshilfe immer noch so wichtig ist.

Geburt einleiten oder lieber abwarten?

In Deutschland wird jede vierte Geburt eingeleitet. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Weil dabei immer in den natürlichen Ablauf von Schwangerschaft und Geburt eingegriffen wird, muss eine Geburtseinleitung gut überlegt sein.

: natürliche Hilfe

Bei der Entscheidung wird berücksichtigt, ob das Fortführen der Schwangerschaft für Mutter und Kind ein höheres Risiko darstellt, als das Risiko einer möglicherweise verfrühten Geburt. An erster Stelle steht immer das Wohl von Mutter und Kind. Wichtig ist, dass die Vor- und Nachteile immer von Fall zu Fall und individuell mit der Schwangeren und deren geburtshilflichem Team aus Fachärzt:innen, Hebammen und Pädiatern diskutiert werden.

Jede Einleitung verläuft anders und es gibt keine Garantie dafür, dass ein Wirkstoff oder eine Methode bei jeder Gebärenden direkt zum Erfolg führen. Auch ist es möglich, währenddessen nochmals die Methode zu wechseln: zum Beispiel, wenn die bisherige nicht zum Erfolg geführt hat oder sich der Befund des Muttermunds verändert hat.

Geburtseinleitung bei Übertragung

Der häufigster Grund für eine Einleitung ist die Terminüberschreitung bzw. Übertragung. Weil die Morbiditäts- sowie Mortalitätsrate für Mutter und Kind bei einer echten Übertragung ansteigt, empfehlen die Expert:innen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) in der aktuell überarbeiteten Leitlinie zur Geburtseinleitung vom März 2021:

  • Schwangeren soll eine Einleitung ab sieben Tagen über dem errechneten Termin angeboten werden,
  • ab zehn Tagen empfohlen werden,
  • ab 14 Tagen über dem errechneten Termin wird sie dringend empfohlen.
: Linkempfehlung
Leitlinie der DGGG

Wer sich dazu noch genauer informieren will, der kann die aktuelle Leitlinie „Geburtseinleitung“ der DGGG hier abrufen.

Weitere Gründe, um Wehen einzuleiten

Eine echte Übertragung ist der häufigste Grund für eine Geburtseinleitung. Bei steigenden Infektionswerten im Blut der Mutter oder bei einem vorzeitigen Blasensprung kann es außerdem notwendig werden, die Wehen einzuleiten.

  • Eine Plazentainsuffizienz gefährdet eine optimale Versorgung des Ungeborenen.
  • Zu wenig Fruchtwasser gefährdet eine optimale Versorgung des Ungeborenen.
  • Setzen nach einem vorzeitigen Blasensprung keinen Wehen ein, kann eine Geburtseinleitung das Infektionsrisiko für das Baby reduzieren.
  • Erkrankungen der Mutter wie beispielsweise eine Präeklampsie oder Diabetes können eine Geburtseinleitung notwendig machen.
  • Eine Erkrankung des Kindes, die nur außerhalb des Babybauchs behandelt werden kann.
  • Auffälligkeiten wie schlechte Durchblutungswerte oder eine Abnahme der Kindsbewegungen (wichtig: in den letzten Schwangerschaftswoche nehmen diese stets etwas ab).

Wie lange abzuwarten ist, bevor die Geburt eingeleitet wird, kann individuell mit der Schwangeren entschieden werden und ist vom Standard jeder einzelnen Klinik abhängig. Dieser orientiert sich jedoch immer an den aktuell geltenden Leitlinien.

Was passiert, wenn die Geburt eingeleitet wird?

Ist die Entscheidung gefallen, die Wehen einzuleiten, gibt es dafür verschiede Möglichkeiten.

Es wird in

  • medikamentöse,
  • mechanische und
  • alternative Einleitungsmethoden unterschieden.

Welche Methode angewendet wird, ist abhängig von verschiedenen Faktoren.

Bei Frauen, welche schon einen Kaiserschnitt oder eine andere Operation an der Gebärmutter hatten, sind beispielsweise einige Medikamente nicht zugelassen.

Untersuchung des Muttermundes

Wichtig für die Entscheidung sind die Beschaffenheit, Weite sowie Länge des Muttermunds/ des Gebärmutterhalses. Vor einer Einleitung wird dich die Hebamme daher vaginal untersuchen.

Anhand des Muttermundbefundes und der Zervixreife wird sie gemeinsam mit ärztlicher Seite abwägen, welcher Weg sinnvoll erscheint. Diese kann auch von der Schwangerschaftswoche abhängig sein in der du dich befindest: Muttermund und Gebärmutterhals verändern sich nochmals in den letzten Schwangerschaftswochen.

Geburtseinleitung mit Medikamenten

Um Wehen einzuleiten, können die Medikamente – je nach Wirkstoff – wie folgt verabreicht werden:

  • oral in Tabletten- bzw. Kapselform (Wirkstoff Misoprostol),
  • als Infusion (Wirkstoff Oxytocin) über einen venösen Zugang oder
  • direkt vaginal am Muttermund in Form von Gel oder einem kleinen tamponähnlichen Bändchen, welches Prostaglandine lokal abgibt.

Cytotec® (Wirkstoff Misoprostol) ist das am Häufigsten verwendete Medikament, um die Geburt einzuleiten. Es ist jedoch Anfang 2020, nach einer Recherche des Bayrischen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung, in Verruf geraten. Die Berichterstattung hat für große Verunsicherung unter Schwangeren gesorgt.

Letztendlich führte das dazu, dass sich Behörden und Importeure im April 2021 auf den Importstopp von Cytotec® geeinigt haben. Das Medikament wird in Deutschland also nicht mehr vertrieben.

Warum Cytotec® besser ist als sein Ruf

Das Medikament Cytotec® wird in der Geburtshilfe seit vielen Jahren im sogenannten Off-Label-Use zur Geburtseinleitung genutzt. Das bedeutet, dass es ursprünglich zum Schutz der Magenschleimhaut entwickelt wurde und als „Nebeneffekt“ eine wehenfördernde Wirkung zeigt. Somit ist das Medikament für die Geburtshilfe nicht zugelassen und es gibt keine einheitlichen Dosierungsangaben. In der Vergangenheit hat das durch eine ungenaue Tablettenteilung in Einzelfällen zu einer Überstimulation der Gebärmutter mit schweren Folgen für Mütter und Kinder geführt.

Doch heute ist Misoprostol das in der Geburtshilfe am besten untersuchte und meist genutzte Einleitungsmedikament. Kliniken vermeiden eine Überdosierung, in dem sie selbst den Wirkstoff in Kapselform in geringerer Dosierung herstellen und Gebärende während einer Einleitung engmaschig überwachen.

Weil Cytotec® in den letzten Jahren so scharf kritisiert wurde, sind einige Kreißsäle in Deutschland bereits auf das Medikament Angusta® ausgewichen. Das enthält den gleichen Wirkstoff Misoprostol, aber in einer geringeren Dosierung.

Dass Cytotec® komplett aus Deutschland verschwindet, halten Expert:innen dennoch für unwahrscheinlich. Das Medikament ist eben wegen seiner hohen Dosierung in der Geburtshilfe nicht wegzudenken und alternativlos: etwa bei einer verstärkten Blutung nach einer Geburt, als Vorbereitung des Muttermunds vor dem Einsetzen einer Verhütungsspirale oder zur Geburtseinleitung bei einer Fehlgeburt (vgl. DGGG, 2021).

Wehen einleiten mit mechanischen Methoden

Um die Geburt mechanisch einzuleiten, wird ein Ballonkatheter vorsichtig durch den Muttermund geführt und innen sowie außen mit Flüssigkeit gefüllt. So wird der Muttermund langsam und vorsichtig gedehnt. Dadurch werden Kontraktionen ausgelöst.

Eine weitere mechanische Maßnahme ist die sogenannte Eipollösung. Sie kann von Hebammen oder Ärzten durchgeführt werden. Hierfür muss der Muttermund mindestens ein Fingerbreit geöffnet sein. Bei einer vaginalen Untersuchung wird vorsichtig in einer kreisförmigen Bewegung die Fruchtblase vom unteren Teil der Gebärmutter gelöst. Dabei wird die Fruchtblase jedoch nicht geöffnet. Auch diese mechanische Stimulation eignet sich, um Wehen auszulösen (vgl. Kehl, 2018).

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Die Amniotomie, also das Öffnen der Fruchtblase, kann bei Stagnieren des Geburtsfortschritts genutzt werden und macht sich den sogenannten Ferguson-Reflex zu Nutze. Drückt das Köpfchen ohne das Fruchtwasserkissen auf den Muttermund, kann dies die Wehenfrequenz sowie Intensität erhöhen.

Ein solcher künstlicher Blasensprung sollte immer mit Bedacht durchgeführt werden, da so die Beweglichkeit des kindlichen Köpfchens eingeschränkt werden kann, mit der es sich durch das Becken dreht. Eine geöffnete Fruchtblase erhöht außerdem das Risiko, dass Keime aufsteigen.

Wie lange dauert es von der Einleitung bis zur Geburt?

Eine Geburt einzuleiten kann dauern – vor allem wenn das noch vor dem errechneten Geburtstermin notwendig wird. Denn unser Körper funktioniert nicht auf Knopfdruck. Es gibt Gebärende, bei denen eine einmalige Medikamentengabe reicht und deren Körper danach von selbst einen Wehenrhythmus entwickelt. Bei einer anderen Frau können mehrere Versuche benötigt werden.

Gib deiner Gebärmutter und deinem Kind Zeit, Wehen zu entwickeln. Sei nicht nach dem ersten Einleitungstag enttäuscht, wenn sich nur wenig oder vielleicht auch noch gar nichts getan hat. Nimm dir ein gutes Buch, Musik oder einen Film mit in die Klinik oder lenke dich bei einem Spaziergang ab.

Quellen