Nabelschnurblut einlagern: Was spricht dafür, was dagegen?

vonConnie Gräf-Adams | freie Autorin
Blutpproben im Röhrchen
Was macht Nabelschnurblut so besonders?
© Unsplash / National Cancer Institute

Wenn du gerade schwanger bist, beschäftigt dich vielleicht die Frage, ob du das Nabelschnurblut deines Babys einlagern sollst. Ist das wirklich sinnvoll und kann es bei einer Erkrankung das Leben deines Kindes retten, wie oftmals propagiert wird? Das Thema ist in medizinischen Fachkreisen heftig umstritten. Um dir die Entscheidung zu erleichtern, haben wir hier die wichtigsten Fakten zur Einlagerung von Nabelschnurblut zusammengetragen.

Was ist das Besondere an Nabelschnurblut?

Über die Nabelschnur erhält das ungeborene Kind während der Schwangerschaft Nährstoffe und Sauerstoff. Mit der Geburt hat die Nabelschnur ihre Aufgaben erfüllt und wird im Normalfall gemeinsam mit der Plazenta entsorgt.

Im Restblut der Nabelschnur befinden sich jedoch Blutstammzellen, die spezielle Eigenschaften aufweisen und daher für die Transplantationsmedizin und -forschung sehr wertvoll sind:

  • Im Gegensatz zu den ausgereiften Blutzellen im Knochenmark und den Blutbahnen sind die Stammzellen im Nabelschnurblut noch flexibel und können verschiedene Zelltypen und Gewebe bilden.
  • Die jungen Zellen sind anpassungsfähig und damit besser verträglich für den Empfänger.
  • Zudem können sie einfach und ethisch unbedenklich entnommen werden, lassen sich in flüssigem Stickstoff einfrieren und stehen so bei Bedarf kurzfristig für eine womöglich lebensrettende Spende zur Verfügung.

Welche Krankheiten lassen sich mit Nabelschnurblut behandeln?

Eine Transplantation von Stammzellen mit Nabelschnurblut kann bis dato nach Informationen der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) bei mehr als 80 Erkrankungen erfolgreich eingesetzt werden. In erster Linie bei Patienten, die von Erkrankungen des blutbildenden Systems, z.B. Leukämie, oder bestimmten Erbkrankheiten betroffen sind.

Zudem laufen verschiedene Studien, die den Einsatz von Stammzellen aus Nabelschnurblut unter anderem bei Diabetes vom Typ 1, der Behandlung von Kindern mit angeborenen Hirnschädigungen und der Krebstherapie von Erwachsenen untersuchen. Bis es hierzu aussagekräftigen Ergebnissen kommt, werden aber noch einige Jahre vergehen.

Wie wird das Nabelschnurblut beim Baby entnommen?

Das Nabelschnurblut wird im Kreißsaal unmittelbar nach der Abnabelung von einer geschulten Fachkraft entnommen, indem die Nabelschnurvene punktiert wird. Für dein Kind ist das vollkommen schmerzfrei. Das Blut wird in einem sterilen Beutel zur Blutbank gebracht und dort auf Infektionen untersucht. Anschließend werden die Stammzellen isoliert und in flüssigem Stickstoff eingefroren.

Voraussetzung für eine Nabelschnurblut-Spende ist, dass

  • die Mutter volljährig ist
  • bei Mutter und biologischem Vater bestimmte (genetische) Erkrankungen ausgeschlossen werden können
  • keine aktuellen Infektionen oder Suchterkrankungen bei der Mutter vorliegen.

Falls du dich für eine Nabelschnurblut-Spende entscheidest, erkundige dich vorher, in welcher Klinik das möglich ist. Die Entnahme von Nabelschnurblut wird nicht in jeder Entbindungsklinik durchgeführt.

Nabelschnurblut einlagern in öffentlicher oder privater Spenderbank?

Die Einlagerung ist in einer öffentlichen oder privaten Nabelschnurblutbank möglich. Beide Optionen unterscheiden sich in wesentlichen Punkten.

Mit der Einlagerung in einer öffentlichen Spenderbank stellst du das Nabelschnurblut bzw. die gewonnenen Stammzellen der Allgemeinheit zur Verfügung. Die Blutbanken sind einem internationalen Netzwerk angeschlossen, die Spende kann also Patienten auf der ganzen Welt helfen. Bei einer späteren Erkrankung hat man allerdings keinen Anspruch auf das Nabelschnurblut des eigenen Kindes. Besteht eine medizinische Notwendigkeit, können die Stammzellen jedoch angefordert werden, sofern sie noch verfügbar sind.

: Blutgruppenvererbung

Ganz anders gehen kommerzielle Blutbanken vor. Gegen eine Gebühr wird dort das Nabelschnurblut bis zu 20 Jahre ausschließlich für den Eigenbedarf eingelagert. Zuweilen wird auch eine Art Kombi-Modell angeboten: Dabei lagern die Eltern das Nabelschnurblut zwar bei einer privaten Blutbank ein, lassen es aber trotzdem in ein öffentliches Register eintragen. Geben sie es an einen fremden Empfänger frei, werden ihnen die Einlagerungskosten erstattet.

Öffentliche Spenderbanken für Nabelschnurblut

Aktuell gibt es in Deutschland sieben öffentliche Nabelblutbanken, die vom Paul-Ehrlich-Institut zugelassen sind und strengen gesetzlichen Auflagen unterliegen:

Was kostet das Einlagern von Nabelschnurblut?

Die Frage „Nabelschnurblut einlagern oder spenden“ macht auch in finanzieller Hinsicht einen deutlichen Unterschied aus: Die Spende an eine öffentliche Blutbank ist kostenlos, für die Einlagerung zu eigenen Zwecken rufen private Nabelblutbanken zwischen ca. 2.000 und 4.000 Euro auf. Sollen die Stammzellen länger als 20 Jahre aufbewahrt werden, kommt noch ein Betrag on top. Die Kosten sind aus eigener Tasche zu bezahlen, in sehr seltenen Fällen werden sie teilweise von der Krankenkasse übernommen.

Profitiert dein Kind tatsächlich vom eingelagerten Nabelschnurblut?

Private Blutbanken werben damit, dass das Einlagern von Nabelschnurblut für den Eigenbedarf ein wichtiger Baustein der Gesundheitsvorsorge für das Kind sei. Genau das ruft vehemente Kritik aus der Ärzteschaft hervor – aus verschiedenen Gründen:

  • Eine Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut kann zwar eine erfolgversprechende Therapie darstellen, aber aktuell nur bei vergleichsweise wenigen Erkrankungen eingesetzt werden.
  • Bei Kindern mit Leukämie ist das eigene Nabelschnurblut ungeeignet. Oftmals haben sich die Krebszellen bereits vor der Geburt gebildet und sind somit auch im Nabelschnurblut enthalten.
  • Das gilt auch bei Erbkrankheiten: Weil die Zellen im eigenen Nabelschnurblut den gleichen Gendefekt tragen, sind nur Stammzellen fremder Spender geeignet.
  • Da die Nabelschnur nur wenig Blut enthält, kann nur eine geringe Zahl von Stammzellen gewonnen werden. Tritt eine Erkrankung im Teenager- oder Erwachsenenalter auf, reicht die Menge zur Behandlung nicht aus.
  • Bislang gibt es kaum Erfahrungen mit gefrorenen Stammzellen. Ob sie sich tatsächlich auf lange Sicht halten, ist nicht erwiesen.

Sinnvoll kann die Einlagerung von Nabelschnurblut sein, wenn ein Geschwisterkind erkrankt ist. Derartige „gerichtete Spenden“ sind jedoch auch bei öffentlichen Blutbanken kostenfrei möglich.

Quellen

Alle Informationen in diesem Artikel stammen aus öffentlichen und zuverlässigen Fachquellen wie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder des Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschlands. Die hier gegebenen Ratschläge und Informationen ersetzen in keinem Fall die medizinische Betreuung durch qualifiziertes Fachpersonal.