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Was ist ein offener Rücken?
Offener Rücken (medizinisch Spina bifida) ist der umgangssprachliche Begriff für eine Entwicklungsstörung des Rückenmarkkanals und der Wirbelsäule (Neuralrohrdefekt). Aus dem Neuralrohr bilden sich in der weiteren Entwicklung die knöcherne Wirbelsäule und das Rückenmark.
Verschließt sich das Neuralrohr nicht richtig, bleibt der Rückenmarkskanal offen, weswegen Spina bifida auch “offener Rücken” genannt wird. Allerdings ist der Rücken des Kindes nicht wirklich offen, sondern die Nerven drücken in einer Blase oder Zyste nach außen.
Diese Entwicklungsstörung findet meist in der Frühschwangerschaft, etwa in der dritten und vierten Schwangerschaftswoche statt, Mädchen sind statistisch etwas häufiger betroffen als Jungen.
Der lateinische Begriff bedeutet wörtlich übersetzt „gespaltenes Rückgrat“ oder “Spaltwirbel”. Streng gesehen bezieht sich die deutsche Übersetzung “offener Rücken” nur auf die Sonderform der Spina bifida aperta, wird aber im Alltagsgebrauch für alle Unterformen der Fehlbildung verwendet.
Offener Rücken – welche Ursachen hat Spina bifida?
Noch immer sind die Gründe der Fehlbildung nicht vollständig erforscht. Da ein offener Rücken aber in manchen Familien häufiger auftritt, geht die Forschung davon aus, dass genetische Ursachen für Spina bifida auf jeden Fall eine Teilrolle spielen könnten. So steigt laut dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. das Risiko um 40 Prozent, wenn in der Familie schon ein Kind mit offenem Rücken geboren wurde. Bei zwei betroffenen Kindern liegt die Wahrscheinlichkeit für ein drittes bei 1:20.
Neben den genetischen Komponenten gibt es aber auch weitere externe Risikofaktoren.
Weitere Risikofaktoren für Spina bifida:
- Folsäuremangel vor und in der Frühschwangerschaft
- Mangel an Vitamin B9
- Rauchen
- Alkohol
- Bluthochdruck
- Diabetes
- Medikamente gegen Epilepsie oder Schwangerschaftsdiabetes
- Adipositas
Wie entsteht ein offener Rücken?
Etwa drei Wochen nach der Befruchtung der Eizelle entsteht das sogenannte Neuralrohr. Daraus entwickelt sich später die Wirbelsäule mit Rückenmark und auch das Gehirn. Das Neuralrohr ist also das Grundgerüst unseres Zentralnervensystems.
Wenn sich in dieser sensiblen Phase der Embryonalentwicklung das Neuralrohr nicht vollständig schließt, können sich Teile des Rückenmarks in einer Zyste nach außen wölben. Die empfindlichen Rückenmarksnerven sind nur noch von einer sehr dünnen Hautschicht geschützt.
Hier abgebildet ist die Myelomeningozele. Sie ist die schwerste Ausprägung des offenen Rückens (Spina bifida aperta).

(Bild: Centers for Disease Control and Prevention via Wikimedia Commons)
Wie häufig kommt ein offener Rücken vor?
Etwa eines von 3.000 Kindern kommt mit Spina bifida zur Welt, laut der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg ist es die „häufigste Ursache angeborener Körperbehinderungen“.
Wie kann ich einem offenen Rücken beim Baby vorbeugen?
Die stärkste Waffe, um einem offenen Rücken beim Baby vorzubeugen: Folsäure. Folsäure ist ein körpereigener Stoff, der zur Bildung roter Blutkörperchen dient und bei der Zusammensetzung der DNA mithilft.
Amerikanische Forscher gehen davon aus, dass etwa 70 Prozent der Spina bifida Fälle durch ausreichend Folsäuregabe verhindert werden können. Die allgemeine Empfehlung lautet, dass Schwangere täglich zusätzlich 0,4 mg Folsäure zu sich nehmen sollten. Am leichtesten geht das natürlich in Form von Tabletten, am besten schon vier Wochen vor Beginn der Schwangerschaft und während des ersten Trimesters.
Offener Rücken – Wie erkennt man ihn in der Schwangerschaft?
Die Fehlbildung ist bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Schwangerschaft im Ultraschallbild erkennbar. Wenn zum Beispiel der Schädelumfang unter der Norm liegt oder die Hirnkammern erweitert erscheinen kann dies ein erster Hinweis auf Spina bifida sein.

Offener Rücken im Ultraschall in der 22. SSW, Das Ungeborene ist im Längsschnitt zu sehen, die Ausbuchtung ist die Myelomeningozele (Bild: Wolfgang Moroder via Wikimedia Commons)
Aber nicht nur im Ultraschall sind Anzeichen für einen offenen Rücken sichtbar, auch im mütterlichen Blut und im Fruchtwasser. Hier ist ein bestimmtes Protein (Alpha-1-Feto-Protein) erhöht.
Welche Formen des offenen Rückens gibt es?
Es gibt zwei Arten der Spina bifida: Die Spina bifida occulta und die Spina bifida aperta, wobei sich die Spina bifida aperta noch einmal in drei Untergruppen unterteilen lässt.
Spina bifida occulta
„Occulta“ bedeutet versteckt. Bei dieser Form ist die Wirbelsäule zwar gespalten, aber das Rückenmark tritt nicht nach außen.
Schwere Folgeschäden oder Behinderungen sind unwahrscheinlich. Die meisten Menschen wissen gar nicht, wenn sie Spina bifida occulta haben. Ärzte entdecken diese Form des offenen Rückens meist eher zufällig etwa bei Röntgenuntersuchungen.
Spina bifida aperta
Hier stülpt sich Rückenmarksgewebe durch den Spalt im Wirbelkanal nach außen. Je nachdem, wie stark die Rückenmarksnerven dabei geschädigt werden, ist nochmals zwischen drei Formen zu unterscheiden.
- Meningozele: Hier werden die Rückenmarksnerven nicht geschädigt. Nur das schützende Rückenmarksgewebe drückt sich nach außen.
- Myelomeningozele: Das ist eine deutlich ausgeprägtere Form des offenen Rückens.
Babys Rückenmarksnerven- und Gewebe drücken sich nach außen. Sie treten deutlich in einer Blase (=Zyste) aus dem Rücken hervor und verlieren dadurch ihre Funktion. Folgeschäden sind immer zu erwarten, sie sind aber individuell unterschiedlich stark ausgeprägt. - Myeloschisis: Die Myeloschisis ist die schwerste Form des offenen Rückens. Die Rückenmarksnerven liegen dabei vollkommen frei und sind nicht von einer Zyste oder sonstigem Bindegewebe geschützt.
Bedeutet ein offener Rücken immer eine schwere Behinderung?
Nein, nicht immer! Das kommt vor allem auf die Form der Spina bifida an und wie stark das Rückenmark betroffen ist.
„Die Auswirkungen können je nach Position des Wirbelbogendefektes [Anm. d. Red.: gemeint ist an welcher Stelle der offene Rücken auftritt] und dem Ausmaß einer Schädigung der Nervenstränge sehr unterschiedlich sein. Sie reichen von eher geringen Beeinträchtigungen wie Sensibilitätsstörungen bis zu einer Querschnittlähmung“,
erklärt die Arbeitsgemeinschaft Spina Bifida und Hydrocephalus e. V.
Welche Beeinträchtigungen kann Spina bifida verursachen?
Wichtig: Die Schwere der Behinderung ist individuell sehr unterschiedlich. Unter anderem kommt es darauf an, an welcher Stelle der Wirbelsäule sich der Wirbelkanal nicht richtig geschlossen hat.
Es gilt die Faustregel: Je weiter oben, desto schwerer die Schäden.
- Spina bifida occulta bedeutet keine Beeinträchtigung und muss meist auch nicht behandelt werden. Oft bleibt sie sogar unentdeckt.
- Die Meningozele ist weniger folgenschwer, die Rückenmarksnerven wurden nicht beschädigt. Der offene Rücken muss zwar geschlossen werden, aber Behinderungen sind nicht zu erwarten.
- Nur die Myelomeningozele und die Myeloschisis bedeutet für das Kind schwere Beeinträchtigungen wie Lähmungen oder Skelett-Fehlbildungen. Babys mit dieser Fehlbildung werden sehr wahrscheinlich niemals laufen können.
Myelomeningozele - mögliche Folgen
Und: Ein offener Rücken hat nichts mit einer geistigen Behinderung zu tun. Der Bundesverband zur Begleitung von Familien vorgeburtlich erkrankter Kinder (BFVEK e.V.) geht gegen Vorurteile vor, Symptome wie ein Wasserkopf, erhöhtes Hirnwasser oder Hirnentwicklungsstörung seien einer geistigen Behinderung gleichzusetzen. Der Bundesverband betont: Kinder mit Spina bifida hätten in der Regel eine normale geistige Entwicklung.
Wie wird der offene Rücken behandelt?
Eine Behandlung heißt beim offenen Rücken (Spina bifida aperta) immer eine Operation. Diese kann bereits in der Schwangerschaft durchgeführt werden (intrauterin) oder aber in den ersten 48 Stunden nach der Geburt des Babys.
Wie groß oder klein der Eingriff ist, lässt sich nicht pauschal sagen – das hängt von der Schwere des Defekts ab und vielen anderen Faktoren. Dein Arzt ist hier auf jeden Fall der beste Ansprechpartner.
Bis in die 60iger Jahre hinein starben Neugeborene mit Spina bifida häufig an einer Infektion des offenliegenden Rückenmarks. Durch die sehr guten medizinischen Standards gehört das aber der Vergangenheit an.
Therapie Spina bifida: Ist ein offener Rücken heilbar?
“Heilbar” im klassischen Sinne ist ein offener Rücken nicht. Die Therapie von Spina bifida ist immer an die entsprechenden Bedürfnisse der Betroffenen angepasst. Ein entsprechendes Team von Neurochirurgen, Urologen, Orthopäden, Physiotherapeuten und Logopädie arbeitet zusammen, mit dem Ziel, die Beweglichkeit und Selbstständigkeit des Kindes zu maximieren.
Gerade bei schwereren Formen der Spina bifida ist zusätzlich oft ein Blasen- oder Darmkatheter nötig. Dein Kinderarzt wird dir entsprechende Spezialisten in deiner Nähe empfehlen.
Spina bifida Lebenserwartung
Bei deinem Baby besteht der Verdacht oder die Diagnose „offener Rücken“? Unabhängig von der Schwere und Ausprägung bedeutet das NICHT, dass dein Kind eine schlechtere Lebenserwartung oder Überlebenschance hat. Mit der heutigen medizinischen Versorgung ist in den meisten Fällen eine sehr ganz normale Lebenserwartung und auch -qualität gegeben.
Unterstützung bei der Diagnose Spina bifida
- Die „Arbeitsgemeinschaft Spina Bifida und Hydrocephalus e.V.“. (ASBH) setzt sich seit 1966 für die Belange von Betroffenen und Angehörigen ein, informiert und berät. Wenn du schwanger bist und die Diagnose im Raum steht, hole dir auf jeden Fall Unterstützung. Mehr Infos findest du auf der Website des ASBH.
- Der „Bundesverband zur Begleitung von Familien vorgeburtlich erkrankter Kinder e.V.“ ist ein gemeinnütziger Elternverein, der sich auf vorgeburtliche Erkrankungen spezialisiert hat. Unter anderem bietet der Verein ein Patenprogramm an. Mehr Infos findest du auf der Webseite des BFVEK.
- Die Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE) e. V. ist die ist die Dachorganisation von rund 120 bundesweit aktiven Selbsthilfeorganisationen für behinderte und chronisch kranke Menschen und ihre Angehörigen mit über 1 Millionen Mitgliedern. Auf der Webseite der BAG Selbsthilfe findest du mehr Infos.