Wochenbettdepression: Häufig unterschätzte Erkrankung nach der Geburt

vonConnie Gräf-Adams | freie Autorin
Frau mit Wochenbettdepression im Bett
© Unsplash/Elizabeth Lies

Manche Mütter erleben nach der Geburt ihres Kindes unglaubliche Stimmungstiefs. Man spricht von der sogenannten Wochenbettdepression. Alle wichtigen Infos zu Ursachen & Symptomen sowie Hilfestellen findest du hier.

Wenn du einige Tage nach der Entbindung ungewohnt empfindsam bist und dir häufig ohne erkennbaren Grund zum Weinen zumute ist, ist das völlig normal.

Der sogenannte Baby-Blues ist eine typische Reaktion auf die enormen Hormonstellungen infolge der Geburt und in der Regel nach wenigen Tagen überwunden. Sollte das Stimmungstief allerdings länger als zwei Wochen anhalten, könnte eine postpartale Depression dahinterstecken.


Wie äußert sich eine Wochenbettdepression?

Eine postpartale Depression entwickelt sich meist schleichend in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt. Die Wochenbettdepression geht mit zahlreichen Symptomen einher, die sich nicht alle bei jeder betroffenen Frau bemerkbar machen.

Typische Anzeichen sind – wie auch bei sonstigen depressiven Störungen:

  • Niedergeschlagenheit und innere Leere
  • Antriebslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber Dingen und Situationen, die einem normalerweise Freude bereiten
  • starke Selbstzweifel und ein Gefühl von Wertlosigkeit
  • Ängste und Panikattacken

sowie unspezifische Beschwerden wie Konzentrations- und Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen und Schwindel.

Bei einer Wochenbettdepression zeigen sich zudem folgende Besonderheiten:

  • Starke emotionale Labilität
  • Mangelnde Fähigkeit, für das Kind positive Gefühle zu entwickeln – bis hin zur Gefühllosigkeit
  • Übermäßige Sorge und Angst um das Wohlergehen des Babys
  • Ausgeprägte Zweifel und Versagensängste, viele Frauen empfinden sich als „schlechte“ Mutter
  • Probleme beim Stillen
  • Zwangsgedanken an Selbstverletzung oder dem Kind Schaden zuzufügen

Abzugrenzen von der Wochenbettdepression ist die postpartale Psychose. Sie tritt nur in sehr seltenen Fällen (1 bis 2 von 1.000 Frauen) im ersten Monat nach der Geburt auf und geht mit schwerwiegenden Symptomen wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen und extremen Angstzuständen einher.

Wie lange dauert eine postpartale Depression?

Unbehandelt hält eine Wochenbettdepression in den meisten Fällen vier bis sechs Monate an, einige Symptome können noch nach einem Jahr weiterbestehen. Bei Müttern, die sich nicht behandeln lassen, besteht das Risiko einer chronischen Depression.

Übrigens: Eine Wochenbettdepression kann nicht nur im Wochenbett zuschlagen, sondern jederzeit innerhalb des ersten Lebensjahres des Babys. Die Symptome können wenige Monate anhalten, aber auch wiederkehren.

Wie viele Frauen sind von einer Depression nach der Geburt betroffen?

Wie hoch der Prozentsatz von Frauen mit einer postnatalen Depression ist, lässt sich nicht genau sagen, da Betroffene oft keine professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Schätzungsweise bekommen bis zu 15 % der Mütter in den ersten drei Monaten nach der Geburt eine Wochenbettdepression. Bei etwa der Hälfte handelt es sich um eine milde bis moderate Form der Erkrankung, die andere Hälfte entwickelt eine stärkere postpartale Depression.

: ganz anders als erwartet

Warum entsteht eine Wochenbettdepression?

Die genauen Ursachen der postnatalen Depression sind noch nicht hinreichend geklärt. Es sind jedoch eine Reihe von Risikofaktoren bekannt, die die Entstehung einer Wochenbettdepression begünstigen können:

  • Vorherige Depressionsstörungen, starke Niedergeschlagenheit und Angststörungen in der Schwangerschaft
  • Schwierige familiäre Verhältnisse und finanzielle Unsicherheit, mangelnde Unterstützung des Partners und sozialen Umfelds
  • Starke Veränderungen der Lebensumstände
  • Schwangerschaftskomplikationen und körperliche Veränderungen
  • Erschöpfungszustände durch anhaltenden Schlafmangel
  • Drogenkonsum, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch
  • Gewalterfahrungen
  • familiäre Häufung von Wochenbettdepressionen

Zudem können gesellschaftliche Faktoren wie ein idealisiertes Mutterbild und die mangelnde Akzeptanz der Schattenseiten des Mutter-Daseins zu starken Minderwertigkeitsgefühlen und Selbstzweifeln beitragen.

Wichtig: Auch ohne einen dieser Risikofaktoren kann eine Frau von einer Wochenbettdepression betroffen sein.


Habe ich eine postpartale Depression?

Die Geburt deines Kindes liegt schon einige Wochen zurück und du kämpfst noch immer mit starken Stimmungsschwankungen, fühlst dich der neuen Situation nicht gewachsen oder glaubst, keine gute Mutter zu sein? Falls dich diese oder ähnliche Gedanken quälen, kann dir dieser Fragebogen, der vom Verein Schatten und Licht e.V. entwickelt wurde, dabei helfen, deinen Zustand besser einzuschätzen und zu erkennen, ob du an einer Wochenbettdepression leidest.

: Verein Schatten und Licht e.V.

Bei dem gemeinnützigen Verein handelt es sich um eine Initiative zur Aufklärung über peripartale psychische Erkrankungen, die etliche Hilfsangebote zur Unterstützung betroffener Frauen bereitstellt.

Selbst wenn dein Umfeld deine Befindlichkeit vielleicht nicht ernst nehmen sollte, ist es wichtig, sich bei psychischen Problemen fachmännischen Rat und Hilfe zu suchen. Eine Wochenbettdepression ist kein persönliches Versagen! Sie ist eine nicht zu unterschätzende und länger andauernde Erkrankung, die jedoch gut behandelbar ist.

Was kann man gegen Wochenbettdepressionen tun?

Die Behandlung ist abhängig vom Schweregrad der depressiven Erkrankung, zudem sollten persönliche Wünsche und Vorstellungen der Mutter bei der Therapie berücksichtigt werden:

  • Bei einer leichten Wochenbettdepression kann zuweilen bereits eine praktische Unterstützung durch eine Haushaltshilfe oder Kinderbetreuung zur Entlastung beitragen. Zum Teil können solche Maßnahmen über die Krankenkasse abgerechnet werden.
  • Betroffene Frauen berichten zudem von guten Erfahrungen mit moderatem körperlichem Training, das zunehmend auch in die Behandlung „klassischer“ Depressionen Eingang findet.
  • In Online-Foren von Selbsthilfe-Organisationen kann man sich mit anderen Müttern zu unterschiedlichsten Themen austauschen und wertvolle Tipps aus erster Hand erhalten. Manchmal kann schon das Wissen, dass es Anderen genauso wie einem selbst ergeht, für Erleichterung in einer schwierigen Situation sorgen.
  • In speziellen Mütter- und Selbsthilfegruppen können Bewältigungsstrategien für Stressauslöser und Konflikte erlernt werden. Entsprechende Initiativen gibt es in jeder größeren Stadt, immer mehr der kostenlosen Angebote finden auch online statt.
  • Reicht Selbsthilfe allein nicht aus, empfiehlt sich eine psychotherapeutische Behandlung wie z.B. eine kognitive Verhaltenstherapie, in der man gemeinsam mit einer qualifizierten Psychotherapeutin oder -therapeuten an Denk- und Verhaltensmustern arbeitet, die einem das Leben schwer machen können. Die KVT wird von der Krankenkasse übernommen.
  • In schweren Fällen einer Wochenbettdepression kann die Aufnahme in ein Krankenhaus angeraten sein. Einige psychiatrische Kliniken unterhalten spezielle Abteilungen, in denen auch das Kind aufgenommen werden kann. Eine Liste entsprechender Einrichtungen ist hier zu finden.
  • Eine medikamentöse Behandlung, z.B. in Form von Antidepressiva, kommt im Allgemeinen nur zur Anwendung, wenn andere therapeutische Maßnahmen nicht möglich sind bzw. eine schwere Depression vorliegt. Die Medikamente sollten grundsätzlich nur nach Absprache mit dem behandelnden Arzt eingenommen werden. Dabei ist unter anderem zu beachten, dass der Wirkstoff beim Stillen über die Muttermilch an das Kind weitergegeben wird. Das gilt auch für stimmungsaufhellende Präparate, die frei verkäuflich sind.


Hier bekommst du Hilfe bei psychischen Problemen nach der Geburt

Bei Verdacht auf eine Wochenbett-Depression oder sonstigen Problemen, die in den Wochen und Monaten nach der Geburt auftreten, solltest du dir unbedingt fachmännischen Rat suchen, damit dir die bestmögliche Hilfe zuteilwird.

  • Deine Hebamme ist eine gute Ansprechpartnerin und bestens mit den verschiedensten Problemstellungen von Müttern vertraut. Besuche der Hebamme können bei Bedarf bis zu 12 Wochen nach der Entbindung erfolgen.
  • Familienhebammen sind speziell zur Unterstützung von Familien in belastenden Situationen im ersten Jahr nach der Geburt ausgebildet. Die Vermittlung ist in Deutschland noch nicht einheitlich geregelt, am besten wendest du dich an deine Frauenärztin oder Hebamme.
  • Der bereits erwähnte Verein Schatten und Licht e.V. hat ein umfangreiches kostenloses Beratungs- und Hilfsangebot. Ausführliches Infomaterial hilft dir und deinem Umfeld zudem, die Erkrankung besser zu verstehen.
    Auf der Liste der Fachleute findest du Adressen und Kontaktdaten von Beratungsstellen, Psycho- und VerhaltenstherapeutInnen und anderen Experten in ganz Deutschland, die von betroffenen Müttern empfohlen wurden oder über ausgewiesene Qualifikationen im Bereich postpartaler Erkrankungen verfügen.
  • Eine anonyme und kostenlose Beratung am Telefon oder per Chat erhältst du auch beim Elterntelefon unter 0800/1110550 bzw. der bke-Onlineberatung.

Quellen